Robinas Stunde null
nicht getraut. Jedoch, es gab niemanden, den diese
Merkwürdigkeit erstaunt hätte…
Dann befanden sie sich auf der idyllischen Insel. Am Zugang,
der von der Donaubrücke aus hinabführte, hatte Robina die
Reste eines Absperrbandes bemerkt, das sie, da es gerissen,
ignorierte.
Robina schlenderte umher, bewunderte die zwar arg
verwilderten, aber immer noch reizvollen Grünanlagen und
Rabatten.
Sie betrachtete die zum Teil durch Pflanzen überwucherten
Badebecken und stellte sich das Gewimmel vor, das hier einst
geherrscht haben mochte.
Plötzlich stutzte sie: Aus einem der intakten Pools ragte ein
Kopf. Neugierig und ein wenig aufgeregt trat Robina behutsam
näher.
„Komm nur her!“, forderte eine Männerstimme.
Robina vergewisserte sich der Anwesenheit Birnes an ihrer
Seite und folgte nunmehr forschen Schritts und grüßte, am
Rand des Bassins angekommen, „hallo!“
Der weißhaarige, kahlstellige Kopf drehte sich und glitt
langsam, ohne dass sich die Wasseroberfläche merklich
erschütterte, auf sie zu.
Robina blickte in ein gutmütig-sympathisches, etwas
knochiges Gesicht mit rosigen Wangen, schmalem Mund und
hellen, blauen Augen.
Aus dem Wasser tauchte eine Hand mit gestrecktem
Zeigefinger, der sich auf Birne richtete. „Beißt der?“
Robina lachte. „Nur wenn ich es will“, antwortete sie.
„Und, willst du?“
„Warum sollte ich?“
„Kann man nie wissen, ich nehme an, du willst es nicht!“
Jetzt tauchte mehr von dem Mann herauf. Dann stand er vor
Robina, das etwas milchige Wasser reichte ihm über die Knie.
Ein kräftiger, nackter, knochigen Körper präsentierte sich, kein
Gramm Fett zu viel. „Ich bin Andras Nagy“, stellte er sich vor.
„Robina Crux. Das ist mein Freund Birne.“ ,An die Fünfzig
müsste er sein, dieser Andras ‘, schätzte Robina.
„Aha!“ Andras stieg aufs Land und setzte sich mit lang
ausgestreckten Beinen auf eine Bank, Gesicht und Körper der
Sonne zugewandt. Er schloss die Augen. „Zur Badekur hier?“,
fragte er obenhin.
Robina setzte sich neben ihn. „Verulken kann ich mich
selber“, sagte sie.
Eine Weile herrschte Stille. In den* Erlen krächzte eine
Elster.
„Du bist seit Wochen der erste Mensch, den ich hier treffe“,
erklärte er, ohne sich zu rühren.
„Deine Begeisterung darüber hält sich aber in Grenzen“,
frotzelte Robina.
Er lachte kurz und trocken auf.
„Man gewöhnt sich ans Alleinsein.“ Jetzt drehte er den Kopf
und sah Robina an.
„Wem sagst du das“, antwortete sie vielsagend. „Ich weiß,
wie das ist.“
„Du bist nicht von hier, was?“
„Nein. Ich bin von nirgendwo, aber jetzt komme ich von
Pusztamonostor, vom Kosmodrom, falls dich das interessiert.“
Er schwieg.
„Du wohnst… bist hier bodenständig?“
„Ja, ich wohne hier.“ Er gab seine Haltung auf, setzte sich
aufrecht und wandte sich Robina zu. „Dort drüben.“ Er wies
auf ein großes Hotelgebäude, von dem Teile hinter Buschwerk
hervorlugten. „Ein repräsentatives Häuschen für eine Person,
nicht?“
Zunehmend begann der Mann Robina zu interessieren, und
sie hatte den Eindruck, als ob auch er es als wohltuend
empfand, einen Menschen in seiner Nähe zu wissen, jemanden,
mit dem man reden konnte, trotz der etwas blasierten Fassade,
hinter der er sich verschanzte, und dem oberflächlichen
Geplänkel. Und noch etwas erregte Robinas Aufmerksamkeit:
Dieser Andras war der erste von Überlebende, von denen sie
laut Statistik alle sieben Kilometer einen treffen sollte und der
offenbar außerhalb einer Gemeinschaft lebte. „Wie versorgst
du dich?“
Er zuckte mit den Schultern. „Wie schon! Aber im Ganzen
gut.“ Er sprach das Wort ,gut’ so aus, als wundere er sich über
die Frage. „Halt wie im Mittelalter oder…“, er sah sie
verschmitzt an, „wie Robinson. Nur so einen Freitag, wie du
hast, brauchte ich.“ Er nickte zu Birne hin. „Ein Gärtchen habe
ich mir angelegt für frisches Grünzeug, zwei Ziegen… ein paar
Reusen gebastelt und fange gelegentlich sogar ein paar Fische
– es gibt wieder viele. Und wenn ich wirklich mal etwas
anderes haben will, was es hier nicht gibt, gehe ich schon mal
rüber.“ Jetzt nickte er. „Mein Strandgut. Im Gegensatz zu
Robinson habe ich sogar Strom, schau!“ Er beugte sich über
die Armlehne der Bank, öffnete ein dort angebrachtes
Kästchen, langte hinein. Wenig später stürzte aus einem
armstarken Rohr Wasser in das Becken vor ihnen.
„Thermalwasser aus der Leitung vom Gellertbad. Eine Pumpe,
eine
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