Robinson Crusoe
armen Wilden zu erleuchten und ihn zu einem so guten Christen zu machen, wie ich ihrer wenige in meinem Leben gekannt habe.
Was all den Streit und Hader betrifft, der in der Welt um der Religion willen sich erhoben hat, alle die Spitzfindigkeiten der verschiedenen Lehrer oder Fragen des Kirchenregiments, so waren sie völlig nutzlos für uns, wie sie ja auch, soviel ich bis jetzt sehe, für die übrige Welt völlig nutzlos gewesen sind.
Wir haben den sicheren Führer zum Himmelreich, nämlich das Wort Gottes, und hatten, Gott sei gesegnet, die tröstliche Gewißheit, daß der Geist Gottes uns durch sein Wort lehrte und unterwies und zur einzigen Wahrheit führte und uns beide gehorsam und willig machte, sein Wort aufzunehmen; und ich kann nicht den geringsten Nutzen sehen, den es für uns gehabt hätte, wenn wir auch noch soviel von den religiösen Streitfragen gewußt hätten, die so viel Verwirrung in der Welt angerichtet haben. Aber ich muß nun in dem erzählenden Teil meiner Geschichte fortsetzen und alles der Reihe nach vornehmen.
Als Freitag und ich uns besser kennengelernt hatten und er fast alles verstehen konnte, was ich zu ihm sagte, und geläufig, wenn auch in gebrochenem Englisch, sprach, erzählte ich ihm meine eigene
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Geschichte oder wenigstens, wie ich
hierhergekommen war und bis jetzt hier gelebt hatte.
Ich führte ihn in die Geheimnisse von Pulver und Blei ein und lehrte ihn schießen. Ich gab ihm ein Messer, über das er entzückt war, und machte ihm einen Gürtel mit einer Lederschlaufe daran und steckte ihm ein Beil darein, das ihm als Waffe und auch für andere Zwecke dienen sollte.
Ich beschrieb ihm die europäischen Länder, besonders meine Heimat England, wie wir dort lebten, wie wir Gottesdienst hielten, wie wir miteinander verkehrten und in Schiffen nach allen Teilen der Welt Handel trieben. Ich beschrieb ihm das Wrack, auf dem ich gewesen war, und zeigte ihm, so gut ich konnte, die Stelle, wo es lag. Es war längst ganz zerborsten und untergegangen. Ich zeigte ihm die Trümmer unseres Bootes, das wir bei unserem Rettungsversuch verloren hatten und das ich mit all meinen Kräften nicht hatte von der Stelle bringen können. Es war nun auch ganz zerfallen. Als Freitag dieses Boot sah, sann er eine lange Weile nach, aber sagte nichts. Ich fragte ihn, worüber er nachdächte. Schließlich sagte er: «Ich haben gesehen solches Boot zu mein Volk kommen.»
Ich verstand ihn erst nicht; aber als ich länger in ihn drang, begriff ich, es sei ein solches Boot an die Küste seines Vaterlandes durch Sturm verschlagen worden.
Mir wurde plötzlich klar, es müsse irgendein europäisches Schiff dort gestrandet und das Boot ans Ufer getrieben worden sein, war aber so schwerfällig, nicht daran zu denken, ob vielleicht Menschen aus dem Wrack darauf entkommen seien, sondern fragte ihn nur. wie das Boot denn ausgesehen habe. Freitag
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beschrieb es mir so leidlich, und ich verstand ihn noch besser, als er mit einiger Bewegung hinzufügte: «Wir weiße Menschen vom Ertrinken gerettet!» Sogleich fragte ich ihn, ob weiße Menschen, wie er sie nannte, in dem Boot gewesen seien. «Ja», sagte er, «das Boot voll weiße Menschen.» Auf meine Frage, wie viele es gewesen seien, 'zählte er an den Fingern «siebzehn», und als ich weiter fragte, was aus ihnen geworden sei, sagte er: «Sie wohnen bei mein Volk.» Dies brachte mir wieder neue Gedanken in den Kopf; denn es fuhr mir plötzlich durch den Sinn, das könnten vielleicht die Leute von dem Schiff gewesen sein, das im Angesicht meiner Insel gescheitert war, so daß sie, als das Schiff auf die Klippe geraten und rettungslos verloren war, sich in ihrem Boot gerettet haben und an der öden Küste bei den Wilden gelandet waren. Ich fragte ihn also noch eindringlicher, was aus ihnen geworden sei. Er versicherte mir. sie lebten noch dort seit ungefähr vier Jahren; die Wilden ließen sie allein und gäben ihnen Lebensmittel. Ich fragte ihn, wie es denn komme, daß sie sie nicht getötet und gefressen hätten. Er sagte: nein, sie machten Brüder aus ihnen; das sollte, soviel ich verstand, heißen, sie schlössen einen Waffenstillstand mit ihnen. Er fügte noch hinzu:
«Sie essen nur Männer, wenn Krieg sie schlägt», was sagen will, sie aßen nur die Feinde, mit denen sie gekämpft und die sie in der Schlacht
gefangengenommen hatten.
Einige Zeit später befanden wir uns auf dem Hügel an der Ostseite, von wo ich, wie früher berichtet, an
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