Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
nur mit unendlicher Mühe, da ich es durch Tauchen aus dem Wasser holen mußte, und das war eine ungemein anstrengende Arbeit.
Von jetzt an begab ich mich täglich nach dem Wrack, um was nur möglich war zu holen. Am dreizehnten Tage meines Aufenthalts auf der Insel war ich bereits elfmal auf dem Schiffe gewesen und hatte in dieser Zeit alles, was zwei Menschenhände fortzuschleppen vermochten, herübergeschafft. Wäre das Wetter ruhig geblieben, so würde ich mich nach und nach des ganzen Schiffes bemächtigt haben, aber schon als ich mich anschickte, zum zwölften Mal an Bord zu gehen, fühlte ich, daß sich der Wind erhob. Dennoch trat ich während der Ebbe die Fahrt an. Ich entdeckte denn auch, wiewohl ich geglaubt hatte, die Kajüte schon völlig ausgeräumt zu haben, darin noch eine Kommode, in der sich mehre Rasiermesser, ein paar große Scheeren und zehn bis zwölf gute Messer und Gabeln befanden; in einem anderen Behälter aber lag ein Häuflein Geld, etwa sechsunddreißig Pfund wert, in europäischen und brasilianischen Gold- und Silbermünzen.
Bei diesem letzteren Anblick konnte ich mich eines ironischen Lächelns nicht erwehren. »O elender Plunder«, rief ich, »wozu taugst du mir nun? Du bist hier nicht wert der Mühe, dich im Wege aufzulesen. Eines jener Messer nützt mehr als dein ganzer Haufe! Bleib wo du bist und ertrinke wie ein Tier, um das es sich nicht verlohnt, ihm das Leben zu retten.«
Nach besserer Überlegung nahm ich jedoch trotzdem das Geld mit. Ich wickelte meine sämmtliche Beute in ein Stück Leinwand und schickte mich an, eine neue Flöße herzustellen. Während ich eben daran gehen wollte, sah ich, daß der Himmel sich umzog. Zugleich steigerte sich der Wind, und nach einer Viertelstunde wehete eine ganz frische Brise vom Lande her. Sofort überlegte ich, daß ich mit einem Floß nicht dem Wind entgegen landen könne, und daß ich vor Beginn der Flut hinüber sein müsse, wenn ich überhaupt ans Ufer gelangen wolle. Da sprang ich denn ohne Weiteres ins Wasser und schwamm nach der Küste, allerdings nicht ohne erhebliche Anstrengung, teils wegen des Gewichts, das ich zutragen hatte, teils wegen der Strömung des Wassers. Denn der Wind war heftig geworden, und bis die volle Flut eintrat, hatte sich ein förmlicher Sturm erhoben. Da aber war ich schon wohlbehalten zu meinem kleinen Zelt gelangt, wo ich, meinen ganzen Reichtum um mich her gebreitet, sicher lag. Es stürmte die ganze Nacht hindurch, und als ich am Morgen mich umsah, war das Schiff verschwunden. Nun gereichte es mir zum großen Trost, daß ich keine Zeit und Mühe versäumt hatte, was mir nützlich sein konnte, aus demselben herüber zu schaffen. Ich konnte jetzt von dem Fahrzeug und dem, was es etwa noch enthielt, Nichts mehr hoffen und höchstens darauf bedacht sein zu retten, was von dem Winde an den Strand getrieben werden würde. In der Tat geschah das später mit mehren Stücken, die ich jedoch wenig zu nützen vermochte.
Jetzt vertiefte ich mich gänzlich in die Überlegung, wie ich mich gegen die Wilden, wenn solche sich etwa zeigen sollten, oder gegen die Bestien, wenn deren auf der Insel wären, zu schützen hätte. Ich war anfangs unschlüssig, ob ich mir eine Höhle in die Erde graben oder ein Zelt über derselben errichten solle. Endlich entschloß ich mich Beides zu tun. Die Art und Weise, wie ich es bewerkstelligte, wird dem Leser nicht uninteressant sein.
Ich erkannte bald, daß die Gegend der Insel, in der ich mich damals aufhielt, zu einer Niederlassung nicht geeignet sei, teils weil der Boden dort tief gelegen, sumpfig, dem Meere zu nah und auch ungesund war, und teils weil sich kein frisches Wasser in der Nähe befand. Ich beschloß daher, einen gesünderen und passenderen Platz auszusuchen.
»Vor Allem«, sagte ich mir, »werden folgende Umstände bei dieser Wahl ins Auge zu fassen sein: erstens gesunde Lage und frisches Wasser; sodann Schutz vor der Sonnenhitze; Sicherung vor wilden Menschen oder Tieren; endlich ein freier Ausblick auf die See, damit du, wenn Gott dir ein Schiff auf Sehweite nahe kommen läßt, nicht die Gelegenheit zu deiner Befreiung versäumst.« Denn ich hatte noch keineswegs aufgegeben, auf diese zu hoffen.
Bei dem Suchen nach einer geeigneten Stelle fand ich denn auch eine kleine Ebene neben einem felsigen Hügel, der wie die Fronte eines Hauses steil nach jener hinabfiel, so daß von oben her kein lebendes Wesen so leicht an mich herankommen konnte. An der Seite dieses
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