Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
zu säen, in der Hoffnung, dies würde hinreichen, mich reichlich mit Brot und dergleichen zu versorgen.
9. Der Schiffsbau
W ährend der ganzen Zeit, in welcher diese Angelegenheiten mich beschäftigten, schweiften, wie man sich denken kann, meine Gedanken auch oftmals nach dem fernen Lande hinüber, welches ich von der anderen Seite der Insel aus erblickt hatte. Ich wünschte im Stillen an jener Küste zu sein, die ich für das feste Land und für eine bewohnte Gegend hielt, und von wo aus ich mich auf eine oder die andere Art weiter zu befördern und vielleicht endlich Mittel und Wege zur Flucht zu finden hoffte. An die Gefahren, die mir dabei drohen würden, dachte ich gar nicht. Wie leicht hätte ich den Wilden in die Hände fallen können, und zwar solchen, die ich Ursache hatte für schlimmer zu halten als die Löwen und Tiger in Afrika. Wäre ich einmal in ihre Gewalt geraten, dann war tausend gegen eins zu wetten, daß sie mich töten, vielleicht gar auffressen würden; denn ich hatte gehört, daß die Bewohner der karaibischen Küste Cannibalen oder Menschenfresser seien, und nach meiner Berechnung der Breitengrade wußte ich mich nicht weit von dieser Küste entfernt. Aber auch wenn keine Cannibalen dort lebten, mußte ich doch annehmen, die Bewohner jener Gegend würden mich wahrscheinlich töten. Hatten sie es doch mit vielen Europäern, die in ihre Hände gefallen, so gemacht, sogar wenn diese in Menge zusammen gewesen waren. Wie viel mehr drohte das mir Einzelnem, der ich mich wenig oder gar nicht verteidigen konnte. Alle diese ernstlich zu erwägenden Bedenken, die später auch wirklich in meiner Seele auftauchten, flößten mir anfangs gar keine Besorgnis ein, und mein Sinn stand sehnsüchtig danach, auf das andere Ufer hinüber zu gelangen.
Wie sehr wünschte ich jetzt meinen Knaben Xury und das Langboot mit dem dreieckigen Segel herbei, in welchem ich über tausend Meilen an der afrikanischen Küste entlang gefahren war. Doch das blieb eine vergebliche Sehnsucht. Da kam mir eines Tages der Einfall, mich einmal nach dem Boot von unserem Schiffe wieder umzusehen, das, wie ich seiner Zeit erzählt habe, vom Sturm weit auf das Ufer hinauf getrieben war, als wir Schiffbruch gelitten hatten. Es befand sich auch noch beinahe an derselben Stelle, aber nicht ganz in der früheren Lage; die Gewalt von Wind und Wellen hatte es fast völlig umgekehrt und gegen einen hohen sandigen Uferrand getrieben, wo es mit dem Boden nach oben gewandt, aber nicht mehr wie anfangs von Wasser umgeben, lag. Wenn ich Arbeitskräfte genug gehabt hätte, um es wieder in Stand zu setzen und es flott zu machen, so würde das Boot noch ganz brauchbar gewesen sein, und es wäre mir dann ein Leichtes gewesen, darin nach Brasilien zurückzukehren. Obgleich ich nun hätte voraussehen können, daß ich ebenso gut die Insel selbst fort zu bewegen vermocht hätte, als das Boot aufzurichten und es auf seinen Bauch zu stellen, so ging ich dennoch in den Wald, schnitt Hebel und Rollen und brachte sie an das Boot, um zu versuchen, was ich ausrichten könnte. Dabei meinte ich, wenn ich es nur umkehren könnte, sei der Schaden, den es erlitten, leicht auszubessern, und ich würde dann leicht damit in See gehen können.
Ich sparte keine Mühe an diesem fruchtlosen Stück Arbeit und verwendete, glaube ich, drei bis vier Wochen darauf. Als ich es endlich unmöglich fand, das Boot mit meinen geringen Kräften zu heben, verfiel ich darauf, den Sand wegzuschaufeln, um es zu unterminiren und dadurch zu Falle zu bringen, und stellte Holzklötze auf, um es zu stützen und seinem Fall die nötige Richtung zu geben.
Nachdem ich aber damit zu Stande gekommen war, zeigte es sich mir unmöglich, das Fahrzeug wieder aufzurichten, oder darunter zu gelangen, und viel weniger noch, es vorwärts nach dem Wasser hinzubewegen. So sah ich mich denn gezwungen, die Sache aufzugeben. Trotzdem aber so die Hoffnung, die ich auf das Boot gesetzt hatte, vereitelt war, stieg mein Verlangen, mich auf das Meer zu wagen, je mehr die Möglichkeit dazu verschwand, statt daß es sich minderte. Mit der Zeit kam ich auf den Gedanken, ob es nicht möglich sei, mir selbst ein Canoe oder eine Pirogue zu fertigen, wie sie die Eingeborenen jener Gegenden, ohne Werkzeuge, ja ich möchte sagen fast ohne alle Arbeit aus großen Baumstämmen machen. Es schien mir das bei genauerer Überlegung auch nicht nur möglich, sondern sogar leicht, und ich freute mich sehr darauf, den Plan
Weitere Kostenlose Bücher