Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
auszuführen. Hatte ich doch dazu weit mehr Hülfsmittel als die Neger oder Indianer. Dabei bedachte ich aber ganz und gar nicht den besondern anderen Umstand, mit dem ich zu kämpfen haben würde, den Mangel an Kräften, nämlich zum Transport des fertigen Canoe’s ins Wasser. Das mußte mir viel größere Schwierigkeiten machen, als der Mangel an Werkzeugen den Indianern. Denn was konnte es mir helfen, wenn ich, nachdem ich im Walde einen dicken Baum aufgesucht und mit vieler Mühe gefällt, ihn hierauf mit Hilfe meines Handwerkszeugs behauen und an der Außenseite ihm die richtige Form gegeben, ihn auch inwendig ausgehöhlt und so in ein Boot verwandelt hätte, dieses nach aller Mühe an seiner Stelle liegen lassen mußte und nicht im Stande war, es flott zu machen! Ich hatte nicht im Mindesten, bevor ich an dem Boot zu arbeiten anfing, über dies Verhältnis nachgedacht; denn sonst würde sich mir ja sofort die Frage aufgedrängt haben, wie ich es ins Meer schaffen solle. Nein, meine Gedanken waren so eingenommen von der beabsichtigten Seereise, daß ich nicht einen Augenblick überlegte, in welcher Weise ich das Ding vom Lande weg bekommen könne. Und doch lag es in der Natur der Sache, daß es mir leichter sein mußte, das Boot fünfundvierzig Meilen weit im Wasser, als auch nur ebenso viel Schritte auf dem Land, nämlich von der Stelle, wo es lag, bis ans Ufer fortzubringen. Ich machte mich an die Anfertigung meines Fahrzeugs in so wahnwitzigem Eifer, als ob mir mein Bischen Menschenverstand abhanden gekommen wäre. Nicht als ob die Frage, wie ich es anfangen sollte, das Boot flott zu machen, mir nicht nachträglich oft durch den Kopf gegangen wäre. Aber ich schnitt dieselbe ein- für allemal durch die alberne Antwort ab: Mache nur erst das Boot fertig, das Übrige wird sich dann finden. So begann ich denn in leichtsinniger Hast mein Werk. Zunächst fällte ich eine Ceder. Es ist sehr fraglich, ob Salomo zum Bau des Tempels in Jerusalem einen so prachtvollen Stamm, wie der meinige war, zu verwenden gehabt hat. Derselbe maß an seinem unteren Ende, dicht an der Wurzel, fünf Fuß zehn Zoll im Durchmesser und zweiundzwanzig Fuß weiter nach oben immer noch vier Fuß elf Zoll; am oberen, noch mehr verjüngten Teil gliederte er sich in Äste. Mit unbeschreiblicher Mühsal hatte ich diesen Baum umgehauen; zwanzig Tage lang hieb und hackte ich dann an ihm herum, und vierzehn weitere Tage erforderte das Beseitigen der Äste und Zweige und der ganzen ungeheuren Krone, was ich mit Axt und Beil bewerkstelligte. Dann verwendete ich einen ganzen Monat darauf, ihn so zu behauen, daß er Form und richtige Verhältnisse annahm und eine Art von Kiel bekam, damit er aufrecht, wie es sich gehört, schwimmen konnte. Weitere drei Monate kostete es mich, das Innere zu höhlen und zu einem richtigen Boote auszuarbeiten. Dies Letztere brachte ich ohne Feuer lediglich mit Hammer und Meißel, wenn auch nur mit großer Mühsal zu Stande, und so hatte ich denn endlich eine sehr hübsche Pirogue fertig, die sechsundzwanzig Personen fassen konnte, also auch hinlänglich groß genug war, mich und mein Hab und Gut aufzunehmen.
Als das Werk vollendet dastand, freute ich mich außerordentlich darüber. Das Boot war viel größer, als ich je ein aus einem Baumstamm gefertigtes Canoe gesehen hatte, und manchen sauern Hieb hatte es mich gekostet, das kann ich versichern. Hätte ich es nun auch in das Wasser zu schaffen vermocht, so bezweifle ich gar nicht, daß ich die wahnsinnigste und unausführbarste Reise, die je unternommen worden, darin angetreten haben würde. Alle meine Versuche aber, es an das Wasser zu bringen, schlugen fehl, obgleich ich auch hierauf Mühe genug verwendete. Das Boot lag nur etwa hundert Schritt vom Ufer entfernt, aber gleich die erste Schwierigkeit bestand darin, daß die Insel nach der Flußmündung hin eine Anhöhe bildete. Um dies Hinderniß zu beseitigen, entschloß ich mich, die Erde abzugraben und auf solche Weise einen Abhang herzustellen. Ich begann die unendlich mühselige Arbeit mit Feuereifer. Wer läßt sich auch eine Mühe verdrießen, wenn die Freiheit damit zu erwerben steht! Als jedoch diese Aufgabe gelöst und die erste Schwierigkeit gehoben war, befand ich mich um nichts weiter als vorher, denn ich konnte jetzt mein Canoe ebensowenig von der Stelle bewegen, wie früher das andere Boot. Nun maß ich die Entfernung aus und beschloß, einen Kanal zu graben, um, da ich mein Boot nicht nach dem Wasser
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