Robinson Crusoe
im Herzen hegte, so hatte ich es nach einiger Zeit unterlassen, die Wochen zu kennzeichnen und eine längere Kerbe für den Sonntag zu schneiden. Als ich jetzt aber, wie gesagt, die Tage zusammenzählte, fand ich, daß ich ein Jahr hier war. Nun teilte ich es in Wochen ein und setzte jeden siebenten Tag einen Sonntag; trotzdem fand ich am Ende meiner Rechnung, daß ich um ein oder zwei Tage zu kurz kam. Bald danach begann meine Tinte zur Neige zu gehen, und so beschied ich mich, sie sparsam zu gebrauchen und nur die wichtigsten Ereignisse meines Lebens niederzuschreiben, ohne ein Tagebuch über andere Dinge zu führen.
Allmählich lernte ich, die regelmäßige Wiederkehr der nassen und trockenen Jahreszeiten zu unterscheiden und mich demgemäß auf sie vorzubereiten. Aber ich mußte Lehrgeld dafür zahlen, und davon will ich jetzt erzählen; denn es war wohl einer der entmutigendsten Versuche, die ich machte. Ich habe erwähnt, daß ich die wenigen Ähren Gerste und Reis aufbewahrt hatte, die ich so überraschend von selbst, wie ich zuerst meinte, hatte sprießen sehen. Ich glaube, es waren ungefähr dreißig Reishalme und zwanzig Gerstenähren, und nun dachte ich, daß nach dem Regen die richtige Zeit zum Säen gekommen wäre, da die Sonne sich nach Süden von mir entfernte.
Demgemäß grub ich ein Stück Hoden um, so gut ich es mit meinem hölzernen Spaten konnte, teilte es in zwei Teile und säte meine Saat. Aber im Säen kam mir der Gedanke, lieber nicht alles auf einmal zu säen, weil ich nicht wußte, ob « die rechte Zeit sei. So warf ich etwa zwei Drittel des Samens aus und behielt eine Handvoll von jedem zurück.
Es war später ein großer Trost für mich, daß ich so tat; denn nicht ein einziges Korn ging auf, weil in den drei trockenen Monaten, die folgten, der Boden nicht genug Feuchtigkeit hatte. Erst als die Regenzeit begann, schoß es auf, als ob es frisch gesät wäre.
Da meine erste Saat nicht wuchs, suchte ich mir ein feuchteres Stück Boden, um einen neuen Versuch zu machen. Ich grub etwas Land nahe meiner neuen Laube um und säte den Rest meiner Saat im Februar, kurz vor der Frühlings-Tagundnachtgleiche; und da jetzt die regnerischen Monate März und April folgten, wuchsen sie sehr gut und trugen reiche Ernte. Aber da ich nur einen Teil der Saat übrig hatte und nicht alles auszusäen wagte, hatte ich schließlich nur eine kleine Menge, und meine ganze Ernte belief sich auf etwa einen Achtelscheffel von jeder Sorte.
Durch diesen Versuch wurde ich zum Meister in diesem Geschäft und wußte nun genau, welche Jahreszeit die geeignete zur Aussaat war und daß ich mit zwei Saatzeiten und zwei Ernten jährlich rechnen durfte.
Während das Korn wuchs, machte ich eine kleine Entdeckung, die mir später sehr nüt zlich war. Sobald der Regen vorüber und das Wetter beständig war, also etwa im Monat November, stattete ich meiner Laube einen Besuch ab, wo ich alles vorfand, wie ich es verlassen hatte. Die doppelte Hecke, die ich gemacht hatte, war nicht nur fest und unversehrt, sondern die Stecken, die ich von einigen nahen Bäumen geschnitten hatte, waren alle mit langen Zweigen ausgeschlagen wie die Weiden im ersten Jahr, nachdem sie beschnitten sind. Ich war überrascht und sehr froh, die jungen Bäume wachsen zu sehen. Ich beschnitt sie und tat alles, um sie hochzuziehen. Und es ist kaum glaublich, was für ein herrliches Ansehen sie in drei Jahren bekamen; denn obgleich die Hecke einen Kreis von ungefähr fünfundzwanzig Schritten im Durchmesser bildete, überlaubten sie ihn bald so, daß er vollkommen im Schatten lag, genügend, um während der ganzen trockenen Jahreszeit dort zu hausen. Dies bewog mich, noch einige Stecken mehr zu schneiden, um mir eine Hecke im Halbkreis um die Mauer meiner alten Wohnung anzulegen. Ich pflanzte sie in einer doppelten Reihe in ungefähr acht Schritten Abstand vom Zaun. Sie schlugen auch hier sogleich aus und bildeten zunächst eine gute Deckung für meine Wohnung und späterhin auch einen guten Schutz zur Verteidigung, wie ich seinerzeit berichten werde.
Ich fand nun, daß die Jahreszeiten nicht wie in Europa in Sommer und Winter einzuteilen wären, sondern in regnerische und trockene Jahreszeiten, gewöhnlich in dieser Reihenfolge: Halber Februar März Halber April Regnerisch, da die Sonne dann in oder nahe der Tagundnachtgleiche stand.
Halber April Mai Juni Juli Halber August Trocken, die Sonne dann nördlich des Äquators.
Halber August September Halber Oktober
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