Robinson Crusoe
bestärkte mich darin; denn wie sollte sonst irgendein anderes Wesen in Menschengestalt an diesen Ort kommen?
Wo war das Schiff, das es gebracht hatte? Wo die Spuren anderer Fußtritte? Und wie hätte überhaupt ein einzelner Mensch hierherkommen sollen? Aber dann fuhr mir's wieder durch den Kopf, warum wohl der Teufel Menschengestalt annehmen sollte, bloß um an einem Ort, wo er sonst nichts zu tun hatte, einen Fußstapfen zu hinterlassen, und zwar auch nur so aufs Geratewohl, da er ja nicht sicher sein konnte, daß ich ihn auch sehen würde. Ich sagte mir, daß der Teufel doch ungezählte andere Wege hätte finden können, um mich zu erschrecken, als gerade durch diesen einen Fußstapfen. Da ich ja ganz auf der anderen Seite der Insel lebte, würde er doch nicht so einfältig gewesen sein, eine Spur zu hinterlassen an einem Orte, wo man tausend zu eins wetten konnte, daß ich sie nie sehen würde, und noch dazu im Sand, wo die erste beste Sturzwelle bei starkem Wind sie vollkommen auslöschen mußte. All das wollte sich mit der Tatsache selber und mit der Vorstellung, die wir von der Schlauheit des Teufels haben, nicht zusammenreimen.
Noch viele solche Gedanken brachten mich schließlich vollends von dem Argwohn ab, daß es der Böse gewesen sei. Und ich schloß nun ernsthaft, es müsse irgend etwas noch viel Gefährlicheres sein, nämlich vielleicht Wilde vom gegenüberliegenden Festland, die in ihren Kanoes aufs Meer gefahren und durch eine Strömung oder widrige Winde an meine Insel geraten waren, die sie nach einer kurzen Landung wieder verlassen hatten, vielleicht weil ihnen diese anscheinend unbewohnte Insel ebensowenig behagte, wie mir ihre Gesellschaft behagt hätte.
Indem mir das durch den Kopf ging, dankte ich Gott, daß ich zu meinem Glück gerade nicht drüben gewesen war und daß sie mein Boot nicht gesehen hatten; denn sonst würden sie daraus geschlossen haben, daß Bewohner auf der Insel seien, und würden vielleicht weiter nach mir gesucht haben. Dabei traf mich wie ein Peitschenschlag der entsetzliche Gedanke: wenn sie vielleicht doch noch mein Boot gefunden und gemerkt haben, daß hier ein Mensch lebt, so werden sie sicher in viel größerer Menge wiederkommen und mich auffressen. Und wenn sie mich zum Glück nicht aufspüren sollten, würden sie doch meine Hürden finden, mein Getreide vernichten, meine zahmen Ziegen wegführen, und ich müßte also Hungers sterben.
So vertrieb die Furcht all meine christliche Hoffnung. All mein voriges Vertrauen auf Gott, der mir so viele wunderbare Gnaden erwiesen hatte, war ganz dahin, gleich als ob er, der mich bisher so wunderbar geführt, nicht auch mit seiner Macht das mir Geschenkte mir erhalten und schützen könnte. Ich machte mir jetzt Vorwürfe über meinen Leichtsinn, daß ich jedes Jahr immer nur soviel Korn gesät hatte, wie ich bis zur nächsten Ernte brauchte, als wenn nie ein Unfall sich ereignen könnte, der mich meiner Ernte berauben würde. Ich nahm es als Warnung und beschloß, in Zukunft für zwei oder drei Jahre Kornvorrat zu schaffen, so daß ich, was auch immer kommen mochte, nicht aus Mangel an Brot zugrunde ginge.
Was für ein Spielzeug der Vorsehung ist das Menschenleben! Heute lieben wir, was wir morgen hassen; heute suchen wir, was wir morgen fliehen; heute wünschen wir, was wir morgen fürchten, nein, wovor wir beim bloßen Gedanken zittern. Das erwies sich jetzt zum Greifen deutlich an mir. Ich, dessen einziger Kummer war, fern von menschlicher Gesellschaft verbannt zu sein, einsam vom grenzenlosen Ozean umgeben, von aller Welt abgeschlossen und verdammt zu einem stummen Leben, gleich wie einer, den der Himmel nicht für würdig hielt, unter die Lebendigen gezählt zu werden und unter seinen anderen Geschöpfen sich zu zeigen, so daß es mir wie eine Erweckung vom Tode und als die größte Gnade Gottes außer der ewigen Seligkeit hätte erscheinen müssen.
ein Wesen meiner Art zu erblicken - ich zitterte nun bei der Vorstellung, einen Menschen zu sehen, und wollte in die Erde sinken vor dem bloßen Schatten oder Schein, daß ein Mensch seinen Fußstapfen auf diese Insel gedrückt habe!
So ist der wechselvolle Zustand des Menschenlebens; und das gab mir hernach, als ich mich von meinem ersten Schrecken etwas erholt hatte, Anlaß zu sehr vielen Betrachtungen. Ich sagte mir, daß dies die Lebenslage sei, die die unendlich weise und gütige Vorsehung Gottes mir zu bestimmt habe; daß es mir, der ich nicht voraussehen konnte, welchen
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