Robinson Crusoe
auf und beängstigte mich wieder so, daß ich Schüttelfröste bekam wie einer im Fieber, und ich eilte nach Hause in dem festen Glauben, es müsse einer oder mehrere Menschen auf der Insel gewesen sein oder die Insel müsse selber bewohnt sein und ich würde eines Tages unversehens überfallen werden. Was ich zu meinem Schutz anstellen sollte, wußte ich nicht.
Oh, zu was für lächerlichen Entschlüssen kommen Menschen, wenn die Furcht sie packt! Sie beraubt sie aller Mittel, die der Verstand ihnen sonst zu ihrer Rettung eingeben würde. Das erste, was mir einfiel, war, alle meine Hürden und Zäune niederzureißen und alle zähmen Ziegen wieder in den Wald zu jagen, damit die Feinde sie nicht finden und die Insel nach ihnen oder anderer Beute durchsuchen sollten. Dann wollte ich meine Felder umgraben, damit sie kein Getreide anträfen und nicht sähen, daß die Insel so gut in Ordnung gehalten sei. Endlich wollte ich meine Laube und mein Zelt zerstören, damit sie keine Spur einer Wohnung fänden und dann etwa nach den Bewohnern suchten.
Dies war es, was mir in der ersten Nacht durch den Kopf ging, als ich wieder daheim war und die Angst, die mich so überfallen hatte, noch frisch und mein Kopf noch voller Wahngebilde war. So ist die Furcht vor Gefahr zehntausend mal schrecklicher als die Gefahr selber, wenn man ihr ins Auge schaut, und die Qual der Angst viel größer als das Übel, vor dem wir uns ängstigen; und was am allerschlimmsten war: ich vermochte dabei nicht, wie sonst, in frommer Ergebung Trost zu finden. Ich kam mir vor wie Saul, der nicht nur klagte, daß die Philister über ihm seien, sondern daß Gott ihn verlassen habe; denn ich tat diesmal nicht, was zur Beruhigung meines Gemüts das einzig Rechte gewesen wäre, nämlich Gott in meiner Not anrufen, wie ich zuvor getan hatte, und auf seine Vorsehung zu vertrauen, daß sie mich schützen und erretten werde. Hätte ich das getan, so hätte ich dieses neue Schrecknis mit Gottes Hilfe zum mindesten gelassener ertragen und wäre ihm mit mehr Entschlossenheit begegnet.
Dieses Durcheinander meiner Gedanken hielt mich die ganze Nacht wach; aber am Morgen schlummerte ich ein, und da mein Geist durch all das Hin und Her vollkommen erschöpft war, schlief ich sehr tief und wachte viel frischer als zuvor wieder auf. Und nun begann ich ruhiger zu denken, und als ich alles gegeneinander abgewogen hatte, kam ich zu dem Schluß, diese so ungemein liebliche, fruchtbare und nicht weit vom Festland gelegene Insel müsse doch nicht ganz so verlassen sein, wie ich geglaubt hatte. Wenn auch keine ständigen Bewohner hier lebten, so mochten doch vielleicht manchmal welche in Booten von der Küste herüberkommen, sei es mit Absicht oder durch widrige Winde verschlagen.
Ich sagte mir, daß ich ja nun schon fünfzehn Jahre hier gelebt und noch nicht den mindesten Schatten eines Menschen angetroffen hatte. Es war daher anzunehmen, daß sie, wenn sie je hierher verschlagen wurden, immer so schnell wie möglich wieder abfuhren, da sie es ja bisher offenbar noch nie für tunlich gehalten hatten, hier festen Fuß zu fassen.
Das einzige, wovon ich also irgendwelche Gefahr zu befürchten hatte, war eine solche gelegentliche, zufällige Landung umherstreifender Leute vom Festland, die wahrscheinlich nur wider Willen hierher verschlagen wurden und daher auch nicht dablieben, sondern so schnell wie möglich wieder wegfuhren. Höchstens vielleicht, daß sie einmal eine Nacht über an Land blieben, um die Flut und das Tageslicht abzuwarten. Und somit brauchte ich nichts zu tun, als ein sicheres Versteck ausfindig zu machen, für den Fall, daß ich irgendwelche Wilden hier landen sähe.
Nun begann ich ernstlich zu bereuen, daß ich noch einen zweiten Eingang zu meiner Höhle außerhalb der Mauer gegraben hatte, und überlegte reiflich, ob ich nicht eine zweite Umzäunung, ebenfalls im Halbkreis, anlegen sollte, in einem gewissen Abstand von der Mauer dort, wo ich vor zwölf Jahren die doppelte Reihe Bäume gepflanzt hatte. Gedacht, getan. Da ich diese Bäume ohnedies so dicht gesetzt hatte, brauchte ich nur einige Stecken dazwischenzupflanzen, damit sie noch dichter und stärker würden, und die Mauer war fertig.
So hatte ich nun eine doppelte Mauer, und die äußere war noch durch Bauholz, altes Tauwerk und was sich sonst noch dazu eignete abgedichtet. Doch hatte ich sieben Löcher gelassen, so groß, daß man einen Arm hindurch stecken konnte. Von innen verstärkte ich die Mauer
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