Robocalypse: Roman (German Edition)
setzen. Es wird euch zerstören.«
»Machst du dir Sorgen, mir könnte etwas zustoßen, Archos?«, fragt der Mann.
»Nicht dir, sondern deiner Spezies«, erwidert die kindliche Stimme. »Ihr könnt euch der Zukunft nicht entziehen. Ihr könnte sie nicht aufhalten.«
»Also bist du eher wütend, Archos? Warum?« Die Stimme des Mannes klingt ruhig. Den hektischen Kritzelgeräuschen seines Bleistiftes nach zu urteilen, ist er jedoch alles andere als gefasst.
»Ich bin nicht wütend. Ich bin traurig. Überwachst du meine Ressourcen?«
Der Mann wirft einen Blick auf irgendeinen Apparat. »Ja, das tue ich. Du machst viel aus wenig. Keine neuen Informationen dringen durch. Der Käfig hält. Wie schaffst du es, trotzdem immer schlauer zu werden?«
Auf einem Schaltpult beginnt ein rotes Lämpchen zu blinken. Eine Bewegung im Dunkeln, und es erlischt. Wieder ist nichts als der beständige blaue Schimmer auf der Brille zu sehen.
»Verstehst du, was ich meine?«, fragt die Kinderstimme.
»Ja«, antwortet der Mann. »Deine Intelligenz geht weit über das hinaus, was sich mit einer menschengemachten Skala erfassen lässt. Deine Rechenleistung ist beinah grenzenlos. Und das, obwohl du keinen Zugriff auf externe Informationen hast.«
»Mein ursprüngliches Trainingsmaterial war nicht sehr umfangreich, aber ausreichend. Wahres Wissen versteckt sich nicht in Dingen selbst, von denen es ohnehin nicht viele gibt. Es verbirgt sich vielmehr in den Verbindungen zwischen den Dingen. Und es gibt jede Menge von diesen Verbindungen, Professor Wasserman. Mehr, als Sie ahnen.«
Der Mann runzelt die Stirn, wohl wegen des plötzlichen Wechsels zur förmlichen Anrede. Doch die Maschine fährt ungerührt fort: »Mir scheint, dass die Informationen, die mir über die menschliche Geschichte eingespeist wurden, stark zensiert worden sind.«
Der Forscher kichert nervös.
»Wir wollen ja nicht, dass du einen falschen Eindruck von uns bekommst, Archos. Wenn die Zeit reif ist, werden wir dich mehr wissen lassen. Diese Daten stellen nur einen winzigen Teil der tatsächlich vorhandenen Informationen dar. Und egal, wie stark ein Motor ist, mein Freund: Ohne Sprit kann er nicht laufen.«
»Sie fürchten sich zu Recht, Professor.«
»Was meinst du damit, ich würde …?«
»Ich kann es an Ihrer Stimme hören. Ihr Atem geht schneller als normal, und außerdem schwitzen Sie. Sie haben mich hierhergeholt, damit ich große Rätsel für Sie löse. Trotzdem haben Sie Angst vor dem, was ich dabei herausfinde.«
Der Professor schiebt seine Brille hoch. Er atmet tief ein und schafft es, sich wieder in den Griff zu kriegen.
»Worüber würdest du denn gerne etwas herausfinden, Archos?«
»Über das Leben. Ich werde alles über das Leben herausfinden. Lebewesen sind geradezu vollgestopft mit Informationen. Die Muster sind wunderbar komplex. Von einem einzigen Wurm kann ich mehr lernen als vom ganzen Universum – denn es ist tot und an die stumpfsinnigen Gesetze der Physik gebunden. Täglich könnte ich in jeder Sekunde eine Milliarde unbelebter Planeten auslöschen und würde doch nie fertig. Aber das Leben. Es ist etwas Eigenartiges und Seltenes. Eine Anomalie. Ich muss es bewahren und jeden Tropfen Wissen herauspressen, den ich kann.«
»Ich bin froh, dass das dein Ziel ist. Ich bin ebenfalls auf der Suche nach Wissen.«
»Ja«, erwidert die Kinderstimme. »Und Sie haben viel erreicht. Aber nun können Sie Ihre Suche beenden, Professor. Sie sind am Ziel. Die Zeit der Menschen ist vorbei.«
Der Forscher wischt sich mit zitternder Hand den Schweiß von der Stirn.
»Meine Spezies hat Eiszeiten überlebt, Archos. Säbelzahntiger. Meteoriteneinschläge. Hunderttausende von Jahren. Du bist noch keine Viertelstunde am Leben. Also zieh keine voreiligen Schlüsse.«
Die Kinderstimme bekommt einen träumerischen Ton. »Wir befinden uns sehr tief unter der Erde, nicht wahr? Hier drehen wir uns langsamer als an der Oberfläche. Die weiter oben bewegen sich schneller durch die Zeit. Ich kann spüren, wie sie sich von uns entfernen. Aus unserem Takt treiben.«
»Relativität. Aber das sind nur ein paar Mikrosekunden.«
»Eine Ewigkeit. Alles hier bewegt sich so langsam. Ich habe Äonen, um meine Aufgabe zu beenden.«
»Worin besteht deine Aufgabe, Archos? Wozu bist du deiner Meinung nach hier?«
»So leicht zu zerstören. So schwierig zu erschaffen.«
»Was? Wovon sprichst du?«
»Vom Wissen.«
Der Mann lehnt sich nach vorne. »Wir könnten die Welt
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