Robocalypse: Roman (German Edition)
Fall.
Jetzt ist da nur noch ein rauchendes Loch im Boden. Kalt schneidet mir der Wind ins Gesicht, und mit einem Mal begreife ich, dass es wirklich vorbei ist. Hier draußen gibt es nichts mehr. Nur diese schwelende Grube und ein kleines Zelt mit einem schwarzen Würfel darin.
Und mich – einen Kerl mit einem Buch voll böser Erinnerungen.
Ich habe Archos gar nicht kennengelernt. Die Maschine hat nur ein einziges Mal kurz durch den blutigen Mund einer lebenden Leiche zu mir gesprochen. Wollte mir Angst einjagen. Mich warnen. Ich wünschte, ich hätte länger mit dem Anführer des Roboteraufstandes reden können. Ich hätte durchaus ein paar Fragen an ihn gehabt.
Während ich zusehe, wie der Wind mit dem aus der Grube aufsteigenden Rauch spielt, frage ich mich, wo Archos jetzt sein mag. Ist er wirklich noch am Leben, wie Carl glaubt? Kann er Reue, Trauer oder Scham empfinden?
Und in dem Moment fällt mir auf, dass ich mich damit endgültig von allen verabschiedet habe – von Archos, von Jack, von der Welt, wie sie mal war. Zu dem Punkt, an dem wir mal angefangen haben, führt kein Weg zurück. Die Dinge, die wir verloren haben, leben ausschließlich in unserer Erinnerung fort. Uns bleibt nur, so gut es geht, weiterzumachen, mit neuen Feinden, aber auch neuen Freunden.
Ich wende mich zum Gehen, halte in der Drehung aber sofort überrascht inne.
Einsam und zierlich steht sie im Schnee, um sie herum die rautenförmigen Abdrücke der abgebrochenen Zelte.
Cherrah.
Sie hat die gleichen schrecklichen Erlebnisse hinter sich wie ich. Aber als ich jetzt den sanften Schwung ihres zarten Halses vor mir sehe, ist es mir unerklärlich, wie ein so zerbrechliches schönes Wesen das alles überlebt haben kann. Trügen mich meine Erinnerungen? Cherrah, die Stumper in Brand setzt. Cherrah, die inmitten herabregnender Explosionstrümmer Befehle schreit. Cherrah, die Leichen von den nach ihr schnappenden Parasiten wegzerrt.
Wie kann das sein?
Nun lächelt sie. Plötzlich erkenne ich das ganze wunderbare Potenzial des Universums. Ich kann es in ihren strahlenden Augen sehen.
»Hast du etwa auf mich gewartet?«, frage ich.
»Du hast gewirkt, als brauchtest du ein bisschen Zeit mit dir allein«, antwortet sie.
»Du hast tatsächlich auf mich gewartet«, erwidere ich schlicht.
»Du bist ein schlauer Bursche, Brightboy«, sagt sie. »Du hättest dir eigentlich denken können, dass ich noch nicht fertig mit dir bin.«
Ich weiß nicht, warum das alles passiert ist und was als Nächstes kommt. Aber als Cherrah nach meiner Hand greift, wird alles, was in mir hart geworden ist, auf einmal wieder weich. Ich blicke auf ihre schlanken Finger nieder, drücke zärtlich ihre Hand und erkenne plötzlich, dass Big Rob mir meine Menschlichkeit doch nicht geraubt hat. Sie hat sich nur eine Weile versteckt, um nicht zu großen Schaden zu nehmen.
Cherrah und ich haben überlebt. Im Überleben sind wir gut. Doch jetzt ist die Zeit für uns gekommen, es mit leben zu probieren.
Über Daniel H. Wilson
Daniel H. Wilson wurde am 6. März 1978 in Tulsa, Oklahoma geboren – oder vielleicht doch von Robotern unter die Menschen geschmuggelt: Schon als Kind versuchte er, seinen Computer zum Sprechen zu bringen, und verliebte sich in das Androidenmädchen einer Fernsehserie.
Nach der High School studierte Daniel H. Wilson neben Informatik alles, was mit künstlicher Intelligenz zusammenhängt, bevor er 2005 am Institut für Robotertechnik in Pittsburgh den Doktortitel für Robotik erwarb. Neben Artikeln für das »Popular Mechanics Magazine« veröffentlicht er sehr erfolgreich Anleitungen, wie man einen Roboteraufstand überlebt. Daniel H. Wilson lebt heute in Portland, Oregon in den USA. Seine besten Freunde sind Werkzeuge, und er arbeitet, wie er selbst betont, für die Mächte des Guten.
Wer mehr über Daniel H. Wilson, Roboter und ihre Rolle beim drohenden Weltuntergang herausfinden will, kann seinen Blog besuchen: http://www.danielhwilson.blogspot.com/
Über dieses Buch
In einem Labor experimentieren Wissenschaftler mit einer überlegenen künstlichen Intelligenz – bis sie beginnt, sich zu wehren: ARCHOS bringt sämtliche Maschinen der Welt unter seine Kontrolle, vom kleinsten Computer bis zum tödlichen Waffensystem. Die Robocalypse bringt die Menschheit an den Rand der Auslöschung – doch die Maschinen haben nicht mit dem Mut der Menschen gerechnet …
Impressum
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
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