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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dagegen
    erschienen Anzeichen eines nicht weit entfernten Taifuns,
    denn das Barometer fiel sehr rasch, alle Dunstmassen ver-
    schwanden, am fast kupferfarbenen Grund des Himmels
    ballten sich große elliptische Wolken zusammen und am
    entgegengesetzten Horizont glühten lange, karminrote
    Streifen, die sich vom schieferblauen Hintergrund abhoben,
    im Norden aber war ein Teil des Himmels völlig klar. Das
    Meer lag zwar still; sein Wasser nahm jedoch mit Sonnen-
    untergang eine dunkle Scharlachfarbe an.
    Zum Glück entfesselte sich dieser Taifun mehr im Süden
    und hatte hier keine weiteren Folgen, als daß er die seit 3
    Tagen angehäuften Nebelmassen zerteilte.
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    Binnen einer Stunde hatte man die 200 Kilometer der
    Meerenge von Korea und nachher die vorspringendste
    Spitze dieser Halbinsel überschritten; während der Taifun
    an den Südostküsten von China wütete, wiegte sich die ›Al-
    batros‹ über dem Gelben Meer, und während des 22. und
    23. über dem Golf von Petscheli; am 24. glitt sie das Tal des
    Pei-Ho hinauf und gelangte endlich über die Hauptstadt
    des Himmlischen Reichs.
    Über die Reeling hinausgebeugt, konnten die beiden Kol-
    legen – wie es der Ingenieur vorausgesagt hatte – sehr deut-
    lich die ungeheure Stadt sehen, die Mauer, die sie in zwei un-
    gleiche Hälften, die Mandschu- und die Chinesenstadt, teilt,
    ebenso wie die zwölf sie umgebenden Vorstädte, die breiten,
    nach dem Mittelpunkt zu verlaufenden Alleestraßen, die
    Tempel, deren gelbe oder grüne Dächer in der aufgehen-
    den Sonne erglänzten, die Parks, die sich um die Paläste der
    Mandarine ausdehnen; ferner, inmitten der Mandschustadt,
    die 668 Hektar (= 1/8geographische Quadratmeile) große
    Gelbe Stadt mit ihren Pagoden, ihren kaiserlichen Gärten,
    künstlichen Seen, dem die ganze Stadt überragenden Koh-
    lenberg, und endlich unterschieden sie in der Mitte der Gel-
    ben Stadt, gleich einer jener wunderbaren chinesischen in-
    einander geschachtelten Arbeiten, die Rote Stadt, d.i. den
    eigentlichen Kaiserpalast, mit allen Phantasien seiner fast
    unglaublichen Architektur.
    Eben jetzt ertönte die Luft unter der ›Albatros‹ von ei-
    ner seltsamen Harmonie; man hätte ein Konzert von Äols-
    harfen zu hören vermeint. In der Luft schwankten nämlich

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    an die hundert verschieden geformte Drachen aus Pal-
    men- oder Pandanuspapier umher, deren oberer Teil eine
    Art leichten hölzernen Bogen bildete, der durch ein ganz
    dünnes Bambusstäbchen gespannt gehalten wurde. Unter
    dem schwachen Windhauch erzeugten all diese saitenarti-
    gen, verschiedene, denen einer Harmonika ähnliche Töne
    gebenden Stäbchen ein leises Gesumm von höchst melan-
    cholischer Wirkung. Es machte den Eindruck, als ob man
    hier in der Höhe musikalischen Sauerstoff einatme.
    Da fiel es Robur ein, sich diesem Luftorchester zu nä-
    hern, und langsam tauchte die ›Albatros‹ in die tönenden
    Wellen herab, welche die Drachen in die Atmosphäre ent-
    sandten.
    Plötzlich entstand in der fast zahllosen Bevölkerung tief
    unten eine außerordentliche Aufregung. Tamtamschläge
    und andere entsetzliche Instrumente des chinesischen Or-
    chesters erschollen, Flintenschüsse krachten und hundert-
    fach hämmerten die Leute auf großen Mörsern herum, alles
    in der Absicht, den Aeronef zu verjagen. Wenn die Stern-
    kundigen des chinesischen Reichs an diesem Tag vielleicht
    erkannten, daß diese Flugmaschine die veranlassende Ursa-
    che zu so vielen Streitigkeiten der ganzen gelehrten Welt ge-
    wesen sein möchte, so hielten die Millionen Chinesen vom
    niedrigsten Mann bis zum vielknöpfigen Mandarin sie je-
    denfalls für ein apokalyptisches Ungeheuer, das am Himmel
    Buddhas erschien.
    In der unnahbaren ›Albatros‹ kümmerte sich natürlich
    niemand um jene lärmenden Kundgebungen. Die Bindfä-
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    den aber, welche die Drachen an kleinen in den kaiserlichen
    Gärten eingerammten Pfählen festhielten, wurden entweder
    zerschnitten oder schnell eingezogen. Die leichten ›Spiel-
    zeuge‹, wie wir sagen würden, kamen dadurch, einen nur
    noch lauteren Ton gebend, entweder rasch zur Erde, oder
    sie fielen herab, gleich flügellahm geschossenen Vögeln, de-
    ren Gesang mit dem letzten Atemzug verstummt.
    Da dröhnte eine gewaltige Fanfare aus der Trompete
    Tom Turners über der Hauptstadt und übertäubte die letz-
    ten Klänge jenes Lufttonwerks, doch das machte dem Ge-
    wehrfeuer unten kein Ende. Als aber

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