Robur der Sieger
dagegen
erschienen Anzeichen eines nicht weit entfernten Taifuns,
denn das Barometer fiel sehr rasch, alle Dunstmassen ver-
schwanden, am fast kupferfarbenen Grund des Himmels
ballten sich große elliptische Wolken zusammen und am
entgegengesetzten Horizont glühten lange, karminrote
Streifen, die sich vom schieferblauen Hintergrund abhoben,
im Norden aber war ein Teil des Himmels völlig klar. Das
Meer lag zwar still; sein Wasser nahm jedoch mit Sonnen-
untergang eine dunkle Scharlachfarbe an.
Zum Glück entfesselte sich dieser Taifun mehr im Süden
und hatte hier keine weiteren Folgen, als daß er die seit 3
Tagen angehäuften Nebelmassen zerteilte.
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Binnen einer Stunde hatte man die 200 Kilometer der
Meerenge von Korea und nachher die vorspringendste
Spitze dieser Halbinsel überschritten; während der Taifun
an den Südostküsten von China wütete, wiegte sich die ›Al-
batros‹ über dem Gelben Meer, und während des 22. und
23. über dem Golf von Petscheli; am 24. glitt sie das Tal des
Pei-Ho hinauf und gelangte endlich über die Hauptstadt
des Himmlischen Reichs.
Über die Reeling hinausgebeugt, konnten die beiden Kol-
legen – wie es der Ingenieur vorausgesagt hatte – sehr deut-
lich die ungeheure Stadt sehen, die Mauer, die sie in zwei un-
gleiche Hälften, die Mandschu- und die Chinesenstadt, teilt,
ebenso wie die zwölf sie umgebenden Vorstädte, die breiten,
nach dem Mittelpunkt zu verlaufenden Alleestraßen, die
Tempel, deren gelbe oder grüne Dächer in der aufgehen-
den Sonne erglänzten, die Parks, die sich um die Paläste der
Mandarine ausdehnen; ferner, inmitten der Mandschustadt,
die 668 Hektar (= 1/8geographische Quadratmeile) große
Gelbe Stadt mit ihren Pagoden, ihren kaiserlichen Gärten,
künstlichen Seen, dem die ganze Stadt überragenden Koh-
lenberg, und endlich unterschieden sie in der Mitte der Gel-
ben Stadt, gleich einer jener wunderbaren chinesischen in-
einander geschachtelten Arbeiten, die Rote Stadt, d.i. den
eigentlichen Kaiserpalast, mit allen Phantasien seiner fast
unglaublichen Architektur.
Eben jetzt ertönte die Luft unter der ›Albatros‹ von ei-
ner seltsamen Harmonie; man hätte ein Konzert von Äols-
harfen zu hören vermeint. In der Luft schwankten nämlich
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an die hundert verschieden geformte Drachen aus Pal-
men- oder Pandanuspapier umher, deren oberer Teil eine
Art leichten hölzernen Bogen bildete, der durch ein ganz
dünnes Bambusstäbchen gespannt gehalten wurde. Unter
dem schwachen Windhauch erzeugten all diese saitenarti-
gen, verschiedene, denen einer Harmonika ähnliche Töne
gebenden Stäbchen ein leises Gesumm von höchst melan-
cholischer Wirkung. Es machte den Eindruck, als ob man
hier in der Höhe musikalischen Sauerstoff einatme.
Da fiel es Robur ein, sich diesem Luftorchester zu nä-
hern, und langsam tauchte die ›Albatros‹ in die tönenden
Wellen herab, welche die Drachen in die Atmosphäre ent-
sandten.
Plötzlich entstand in der fast zahllosen Bevölkerung tief
unten eine außerordentliche Aufregung. Tamtamschläge
und andere entsetzliche Instrumente des chinesischen Or-
chesters erschollen, Flintenschüsse krachten und hundert-
fach hämmerten die Leute auf großen Mörsern herum, alles
in der Absicht, den Aeronef zu verjagen. Wenn die Stern-
kundigen des chinesischen Reichs an diesem Tag vielleicht
erkannten, daß diese Flugmaschine die veranlassende Ursa-
che zu so vielen Streitigkeiten der ganzen gelehrten Welt ge-
wesen sein möchte, so hielten die Millionen Chinesen vom
niedrigsten Mann bis zum vielknöpfigen Mandarin sie je-
denfalls für ein apokalyptisches Ungeheuer, das am Himmel
Buddhas erschien.
In der unnahbaren ›Albatros‹ kümmerte sich natürlich
niemand um jene lärmenden Kundgebungen. Die Bindfä-
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den aber, welche die Drachen an kleinen in den kaiserlichen
Gärten eingerammten Pfählen festhielten, wurden entweder
zerschnitten oder schnell eingezogen. Die leichten ›Spiel-
zeuge‹, wie wir sagen würden, kamen dadurch, einen nur
noch lauteren Ton gebend, entweder rasch zur Erde, oder
sie fielen herab, gleich flügellahm geschossenen Vögeln, de-
ren Gesang mit dem letzten Atemzug verstummt.
Da dröhnte eine gewaltige Fanfare aus der Trompete
Tom Turners über der Hauptstadt und übertäubte die letz-
ten Klänge jenes Lufttonwerks, doch das machte dem Ge-
wehrfeuer unten kein Ende. Als aber
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