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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die ›Albatros‹ über
    Srinagar – mehr bekannt unter dem Namen Kaschmir –
    hin.Onkel Prudent und sein Gefährte sahen eine sehr schöne,
    an beiden Flußufern sich hinziehende Stadt mit ihren Brü-
    cken gleich ausgespannten Fäden, den Sennhütten mit ihren
    geschnitzten Balkons, ihren von hohen Pappeln beschatte-
    ten Gebäuden mit berasten Dächern, die fast das Aussehen
    großer Maulwurfshaufen haben, ihren vielfachen Kanä-
    len mit Barken gleich Nußschalen und Bootsleuten gleich
    Ameisen darauf, mit ihren Palästen, Tempeln, Kioske, Mo-
    scheen und den Bungalows am Eingang der Vorstädte – das
    Ganze auch noch verdoppelt durch die Widerspiegelung des
    Wassers; endlich die alte Zitadelle Hari-Parvata, die auf ei-
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    nem Hügel angelegt ist, wie das stärkste Fort von Paris auf
    dem Mont-Valérien.
    »Das wäre Venedig, wenn wir uns in Europa befänden«,
    sagte Phil Evans.
    »Und wenn wir in Europa wären, würden wir den Rück-
    weg nach Amerika schon zu finden wissen«, antwortete On-
    kel Prudent.
    Die ›Albatros‹ verweilte nicht über dem See, den der
    Fluß durchfließt, sondern setzte ihren Flug durch das Tal
    des Hydaspis fort.
    Nur eine halbe Stunde blieb sie, bis auf 10 Meter über
    dem Fluß hinabsteigend, einmal an ein und derselben Stelle.
    Währenddessen versorgten sich Tom Turner und seine
    Leute mit Hilfe eines Kautschukschlauchs mit neuem Was-
    servorrat, der durch eine Pumpe aufgesaugt wurde, welche
    die Ströme der Akkumulatoren in Bewegung setzten.
    Onkel Prudent und Phil Evans hatten sich dabei bedeu-
    tungsvoll angesehen, da ein und derselbe Gedanke in ihnen
    aufstieg. Sie befanden sich nur wenige Meter über der Ober-
    fläche des Hydaspis und nahe an seinem Ufer. Beide waren
    geübte Schwimmer. Ein Sprung konnte ihnen jetzt die Frei-
    heit wiedergeben, und wenn sie dann ein Stück unter Was-
    ser fortschwammen, wie hätte Robur sie wieder ergreifen
    lassen können? Um den Antriebsschrauben ihre Beweglich-
    keit zu sichern, mußte er sie ja mit seinem Apparat mindes-
    tens 2 Meter über dem Seebecken halten.
    In einem Augenblick hatten sie alle günstigen und un-
    günstigen Umstände eines solchen Versuchs gegeneinander
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    abgewogen und schon waren sie im Begriff, sich von dem
    Verdeck des Luftschiffs hinabzustürzen, als sich mehrere
    Hände fest auf ihre Schultern legten.
    Sie wurden beobachtet und erkannten die Unmöglich-
    keit, zu entfliehen.
    Immerhin ergaben sie sich nicht ohne einigen Wider-
    stand und bemühten sich, die, welche sie hielten, zurück-
    zustoßen – aber es waren handfeste Burschen, diese Leute
    der ›Albatros‹!
    »Meine Herren«, begnügte sich der Ingenieur zu sagen,
    »wenn man das Vergnügen hat, in Gesellschaft mit Robur
    dem Sieger zu reisen, wie Sie ihn selbst so passend bezeich-
    net haben, und an Bord seines wunderbaren ›Albatros‹, so
    verläßt man diesen nicht so ... französisch. Ja, ich sage Ih-
    nen, Sie verlassen ihn überhaupt nicht wieder!«
    Phil Evans zerrte seinen Gefährten, der sich schon zu ei-
    nem Gewaltakt hinreißen lassen wollte, noch zurück. Beide
    begaben sich nach ihrem Ruff, noch immer entschlossen,
    zu fliehen und wenn es ihnen, egal wo, auch das Leben kos-
    ten sollte.
    Die ›Albatros‹ hatte wieder ihren Kurs nach Westen ein-
    geschlagen. Während dieses Tages überschritt sie bei mittle-
    rer Geschwindigkeit das Gebiet von Kabulistan, die Grenze
    des Königreichs Herat.
    In diesen noch immer so umkämpften Ländern und
    auf diesem Weg, der den Russen nach den englischen Be-
    sitzungen in Indien offen steht, erschienen große Haufen
    von Menschen, Kolonnen, Gepäckwagen, mit einem Wort

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    alles, was das Personal und Material einer auf dem Marsch
    befindlichen Armee bildet. Man hörte wohl auch Kanonen-
    donner und das Knattern von Gewehren; der Ingenieur
    mischte sich aber niemals in die Angelegenheiten anderer,
    solange diese für ihn nicht eine Frage des Ehrgeizes oder
    der Humanität bildeten. War Herat, wie man sagt, wirklich
    der Schlüssel Zentralasiens, so kümmerte es ihn doch gar
    nicht, ob dieser Schlüssel in eine englische oder eine mos-
    kowitische Tasche kam. Irdische Interessen berührten den
    furchtlosen Mann nicht, der das Luftmeer zu seinem aus-
    schließlichen Gebiet erkoren hatte.
    Übrigens schwand das Land sehr bald unter einem wah-
    ren Orkan von Sand, wie er in diesen Gegenden so häufig
    vorkommt. Dieser Sturmwind, der hier ›Tebbad‹

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