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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Höhe von 6.800 Meter überschritten haben; wenigstens
    hielt er entschlossen auf diesen zu.
    Jetzt kamen einige ängstliche, selbst sehr beschwerliche
    Stunden, und wenn die Verdünnung der Luft auch nicht
    einen solchen Grad erreichte, daß man zu eigens dafür
    konstruierten Apparaten hätte greifen müssen, den Sauer-
    stoff in den Kabinen zu erneuern, so wurde die Kälte doch
    höchst beschwerlich.
    Auf dem Bug stehend und die kräftige Gestalt in einen
    Mantel gehüllt, leitete Robur alle Manöver. Tom Turner hielt
    die Barre des Steuerruders fest in der Hand. Der Maschinist
    überwachte aufmerksam seine Batterien, von deren Säuren
    glücklicherweise ein Einfrieren nicht zu fürchten war. Die
    zur allergrößten Umdrehungsgeschwindigkeit angetriebe-
    nen Schrauben gaben einen schärfer werdenden Ton, der
    trotz der höchst dünnen Luft laut vernehmbar blieb. Das
    Barometer fiel auf 290 Millimeter, was eine Höhe von 7.000
    Meter anzeigte.
    — 155 —
    Wie prachtvoll lag dieses Chaos von Bergriesen hier vor
    dem erstaunten Blick ausgebreitet! Überall weißglänzende
    Gipfel, keine Seen, aber gewaltige schimmernde Gletscher,
    die bis auf 10.000 Fuß Höhe hinabreichen. Kein Gras, außer
    einigen dürftigen Kryptogamen an der Grenze des vegeta-
    bilischen Lebens, nichts von jenen wunderschönen Fichten
    und Zedern, die sich an den unteren Abhängen der Kette
    in herrlichen Wäldern vorfinden; nichts von gigantischen
    Farren und endlosen Schmarotzerpflanzen, die sich, wie im
    Unterholz der Dschungeln, von Baum zu Baum hinziehen.
    Kein Tier, weder wilde Pferde, noch Yaks oder tibetanische
    Rinder; nur dann und wann eine Gazelle, die sich bis nach
    diesen Öden hinein verirrt hatte; keine Vögel, außer einzel-
    nen jener Pärchen Raben, die sich bis zu den letzten Schich-
    ten der atembaren Luft erheben.
    Nachdem sie diesen Paß durchfahren hatte, begann die
    ›Albatros‹ wieder hinabzusteigen. Als sie seinen Ausgang
    passierten, hatten die Reisenden, jenseits der Region der
    Bergwaldung, eine grenzenlose Landschaft vor sich, die sich
    in weitem Umkreis vor ihnen ausdehnte.
    Jetzt trat Robur an seine Gäste heran und sagte mit lie-
    benswürdigem Ton:
    »Da haben Sie Indien, meine Herren!«

    — 156 —
    — 157 —
    10. KAPITEL
    Worin man sehen wird, wie und warum der Diener
    Frycollin ins Schlepptau genommen wurde
    Der Ingenieur hatte nicht die Absicht, seinen Apparat über
    die wundervollen Gefilde von Hindustan hinwegzuführen.
    Jedenfalls wollte er nur den Himalaya übersteigen, um zu
    beweisen, über welch außerordentliche Fortbewegungsma-
    schine er verfügte, und um davon selbst diejenigen zu über-
    zeugen, die nicht überzeugt sein wollten. Bedeutete das wohl
    soviel wie die Behauptung, daß die ›Albatros‹ vollkommen
    sei, obgleich die Vollkommenheit nicht von dieser Welt ist?
    Das wird sich später zeigen.
    Wenn Onkel Prudent und sein Kollege auch nicht umhin
    konnten, innerlich anzuerkennen, daß die Kraft dieser Flug-
    maschine ganz außerordentlich war, so ließen sie sich davon
    wenigstens nichts merken. Sie suchten nur die Gelegenheit
    zu fliehen; ja, sie bewunderten nicht einmal das prachtvolle
    Schauspiel, das sich ihren Augen bot, als die ›Albatros‹ den
    reizenden Landschaften des Pendjab folgte.
    Wohl gibt es am Himalaya einen Strich sumpfigen Lan-
    des, von dem gesundheitsschädliche Dünste aufsteigen, je-
    nes Terrain, in dem Fieberkrankheiten epidemisch herr-
    schen. Doch das ging die ›Albatros‹ ja nichts an und konnte
    das Wohlbefinden ihrer Insassen nicht gefährden, sie erhob
    sich ohne große Eile nach dem Winkel zu, den Hindustan in
    seinem Vereinigungspunkt mit Turkestan und China bildet.
    — 158 —
    Am 29. Juni öffnete sich vor ihr schon in den ersten Mor-
    genstunden das herrliche Tal von Kaschmir.
    Ja, sie ist ohnegleichen, diese Hohlkehle, die der Hima-
    laya zwischen sich frei läßt! Gefurcht von Hunderten von
    Einzelvorsprüngen, welche die ungeheure Kette bis zum Be-
    cken des Hydaspis entsendet, wird sie bewässert von den
    launischen Windungen des Flusses, der die Heersäulen Po-
    rus’ und Alexanders, d.h. Indien und Griechenland, in Zen-
    tralasien zum Kampf zusammenstoßen sah. Er füllt noch
    immer sein Bett, dieser Hydaspis, während die von dem
    Mazedonier zur Erinnerung an seinen Sieg gegründeten
    beiden Städte so vollständig verschwunden sind, daß man
    nicht einmal imstande ist, ihre Stelle wiederzufinden.
    Während dieses Vormittags schwebte

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