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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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einem Vogel, der durch langen Flug endlich er-
    müdet, oder wie bei einem Ballon, der wegen Gasmangel
    genötigt wird, einmal niederzugehen. Der Aeronef besaß
    noch für mehrere Wochen reichende Vorräte aller Art, und
    seine Organe von wunderbarer Solidität straften jede Er-
    wartung auf Schwäche oder Trägheit Lügen.
    Nach scharfer Fahrt über die Halbinsel Kamtschatka,
    von der man kaum die Niederlassung von Petropaulowsk
    und den Vulkan von Klutschew sah, und nach der weiteren,
    über das Ochotskische Meer, nahezu in der Höhe der Kuri-
    len, die darin einen von Hunderten von Kanälen unterbro-
    chenen Damm bilden, erreichte die ›Albatros‹ am 19. Juni
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    die La Pérouse-Straße zwischen der Nordspitze von Japan
    und der Insel Sachalin an dem kleinen Einschnitt, in den
    sich der große sibirische Strom, der Amur, ergießt.
    Nachher erhob sich ein dichter Nebel, den der Aeronef
    unter sich lassen wollte, wenn er auch nicht gezwungen
    war, ihn zu meiden, um weiterzufahren, denn in der von
    ihm jetzt eingenommenen Höhe hatte er kein Hindernis zu
    fürchten, weder höhere Bauwerke, an die er hätte anstoßen
    können, noch Berge, an denen er sich im Flug zu zertrüm-
    mern Gefahr gelaufen wäre. Das Land war kaum wellenför-
    miger Natur. Die Dünste machten sich aber doch zu unan-
    genehm fühlbar, da sie alles an Bord durchnäßten.
    Es bedurfte ja nichts weiter, als sich über diese Nebel-
    schicht, die 3- bis 400 Meter stark sein mochte, zu erheben.
    Die Schrauben wurden also in schnelle Umdrehung ver-
    setzt, und oberhalb des Nebels fand die ›Albatros‹ wieder
    den reinen, vom Sonnenlicht gebadeten Himmel.
    Unter diesen Verhältnissen hätten Onkel Prudent und
    Phil Evans Mühe gehabt, ihren Fluchtversuch auszuführen,
    selbst wenn sie den Aeronef hätten verlassen können.
    An diesem Tag blieb Robur, als er einmal an ihnen vor-
    überkam, wie zufällig stehen und sagte, ohne äußerlich sei-
    nen Worten besondere Bedeutung beizulegen:
    »Meine Herren, ein Segel- oder Dampfschiff, das in ei-
    nen Nebel geriet, dem es nicht entrinnen kann, ist immer
    sehr belästigt, es fährt nur unter fortwährendem Pfeifen
    oder unter den Tönen des Nebelhorns weiter. Es muß seine
    Fortbewegung verlangsamen und hat trotz aller Vorsicht je-
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    den Augenblick eine Kollision zu befürchten. Die ›Albatros‹
    kennt solche Sorgen nicht. Was kümmern sie die Nebel, da
    sie sich ihnen entziehen kann? Ihr gehört das Luftmeer, die
    ganze weite Atmosphäre!«
    Nach diesen Worten ging Robur ruhig weiter, ohne eine
    Antwort abzuwarten, die er auch gar nicht verlangte, und
    die blauen Wölkchen seiner Pfeife zerflossen im Azur.
    »Onkel Prudent«, begann da Phil Evans, »es scheint, als
    ob diese merkwürdige ›Albatros‹ ganz und gar nichts zu
    fürchten habe.«
    »Das werden wir noch sehen!« antwortete der Vorsit-
    zende des Weldon-Instituts.
    Der Nebel hielt 3 Tage lang, den 19., 20. und 21. Juni, mit
    beklagenswerter Zähigkeit an. Man hatte hochsteigen müs-
    sen, um die japanischen Gebirge von Fusi-Yama zu vermei-
    den. Als dieser Nebelvorhang aber zerrissen war, gewahrte
    man eine ungeheure Stadt mit Palästen, Villen, Türmchen,
    Gärten und Parks. Selbst ohne sie zu sehen, hätte Robur sie
    schon erkannt an dem Gebell der Tausende von Hunden,
    an dem Schreien der Raubvögel und vor allem an dem Lei-
    chengeruch, den die Körper von Hingerichteten in weitem
    Umkreis verbreiteten.
    Die beiden Kollegen befanden sich auf dem Deck, als
    der Ingenieur eben das Besteck machte, für den Fall, daß er
    seine Fahrt wieder im Nebel fortzusetzen gezwungen wäre.
    »Meine Herren«, begann er, »ich habe keinen Grund,
    Ihnen zu verheimlichen, daß diese Stadt Yeddo, die Haupt-
    stadt von Japan ist.«
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    Onkel Prudent antwortete nicht. In Gegenwart des In-
    genieurs keuchte er nur, als wenn es seinen Lungen an Luft
    fehlte.
    »Dieser Anblick Yeddos ist wirklich recht merkwürdig.«
    »So merkwürdig er auch sein mag ...« versetzte Phil
    Evans.
    »So bleibt er doch hinter dem von Peking zurück«, un-
    terbrach ihn der Ingenieur. »Das ist meine Meinung auch, –
    und Sie werden binnen kurzem selbst darüber urteilen kön-
    nen.«
    Unmöglich hätte der Mann liebenswürdiger sein kön-
    nen.Die ›Albatros‹, die bisher auf Südost zuhielt, veränderte
    jetzt ihre Richtung um vier Kompaßstriche, um im Osten
    eine neue Route aufzusuchen.
    Während der Nacht zerstreute sich der Nebel,

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