Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
kümmern, dass et irjendwie, irjendwie weiterjeht, weeßte?
Hells Angel A.: Ja.
Hells Angel B.: Super, allet klar
Hells Angel A.: Bis später.
Hells Angel B.: Bis denn, (…) tschü.
Von der Polizei abgehörtes Telefonat,Verschriftung erfolgte durch Kriminalobermeister K.
Der Mann mit dem Koks ist da
Stretchlimousine, 17 verschiedene Kuchen und eine Lasershow am Nachthimmel über Dortmund. So feiert der Bandidos-Boss Peter Maczollek 2008 Hochzeit. Die Braut in Weiß, der Rocker in Kutte und auf der Gästeliste fast nur Clubkameraden – eine standesgemäße Trauung im Rockermilieu.
Wie sich später herausstellt, naschen die Gäste nicht nur am 30 Meter langen Buffet. Bandido Peter B. sagt in einem Telefongespräch über den Partyverlauf: »Ich habe noch ein bisschen gekokst und bin irgendwann nach Mitternacht abgehauen.«
Das euphorisierende Pulver Kokain gehört zur Rockerszene wie die Weißwurst zu München. Anscheinend ertragen viele Hells Angels und Bandidos ihre Vereine nur mit Nasenzucker. »Da läuft momentan viel aus dem Ruder«, bestätigt ein hochrangiger Bandido erstaunlich selbstkritisch.
In der Satzung der Gang heißt es unter Punkt 32 etwas holprig: »Jeglicher Kontakt mit Heroin, Pilzen (Mushrooms), LSD , Fantasy, Ecstasy oder Kokain rauchen ist verboten.« Demnach aber ist das Schnupfen von Kokain ausdrücklich erlaubt – und die Rocker nutzen dieses von ihrer Verfassung garantierte Grundrecht.
Bei einer Razzia im April 2012 im Bochumer Vereinsheim finden Polizisten Kokain im Billardtisch. Vier Jahre zuvor hört die Kripo einen Dialog aus der verwanzten Rockerbude mit. Ein Bandido betritt den Konferenzraum und begrüßt einen wahrscheinlich koksenden Kumpel mit den Worten: »Aaah, Herr B., ein Näschen.«
Wer viel konsumiert, überlässt den Handel mit den renditestarken Betäubungsmitteln ungern anderen Herrschaften. Außerdem stimmen bei den Rockerclubs die Voraussetzungen für erfolgreiche Geschäftsabschlüsse. Hells Angels und Bandidos besitzen die nötige Macht und ausreichend Personal, um im Drogengeschäft nicht nur die Rolle des Konsumenten einzunehmen, wie der Fall des Berliner Bandidos Ümit G. zeigt.
Am 7. Juni 2012 stürmt um 5.10 Uhr ein Spezialeinsatzkommando die Wohnung des türkischen Rockers, damals 33, im Berliner Norden. »Die Wohnung machte insgesamt einen sehr verwohnten, ungepflegten und dreckigen Eindruck«, schreibt ein Oberkommissar später in den Durchsuchungsbericht. In den viereinhalb Zimmern haust der Hartz-IV-Empfänger mit seiner Frau und vier Kindern. Laut Haftbefehl hat Ümit G. einen Drogen-Lieferservice organisiert, der Kokain und Haschisch den Süchtigen an die Haustür bringt. Sein schmutziges Geschäft basiert auf den Strukturen des Rockerclubs, glauben die für Organisierte Kriminalität zuständigen Staatsanwälte der Abteilung 254.
Ümit G. hat in den vergangenen 15 Jahren fast alle Bereiche des Strafgesetzbuches beackert: Vergewaltigung (1997), Verstoß Cannabis (2000 und 2007), illegaler Handel mit Kokain (2002 und 2004), Zuhälterei und schwerer Menschenhandel (2003), Fahren ohne Fahrerlaubnis (2008), Bildung bewaffneter Gruppen (2010). Die umfängliche Liste seiner Vergehen hat einer Karriere bei den Bandidos aber nicht geschadet, im Gegenteil.
In der schwer umkämpften Hauptstadt setzen die Clubs auf Männer wie den korpulenten Türken. Bei den Bandidos »del Este« aus dem Vorort Hennigsdorf stieg er zum »Sergeant at Arms« auf und war verantwortlich für die interne Disziplin und die externe Bekämpfung der Berliner Hells Angels.
Die europäische Führungsebene der Gang befördert G. später sogar zum »Nomad«. Die Nomaden bilden eine Art mobiles Einsatzkommando und unterstehen als Leibgarde des Präsidenten direkt dem dänischen Europa-Boss der Bandidos, Jim Tinndahn, genannt »Big Jim«. Sie schlagen überall dort auf, wo Bandidos in Schwierigkeiten stecken. Was häufig der Fall ist.
Sein Einsatz für die Motorradgang soll für den Türken weder umsonst noch vergebens gewesen sein. Mit der Macht und dem Personal des Clubs baut Ümit G. offenbar sein Drogengeschäft auf. Die Konsumenten bestellen per Handy bei dem hochrangigen Rocker. Die Ermittler sind sich sicher, anhand abgehörter Handygespräche 124 Deals nachweisen zu können. Als Lieferanten zum Endverbraucher setzt Ümit G. demnach ihm unterstellte Männer ein. Seine wichtigsten Fahrer waren die Bandidos-Anwärter Teczan und Olcay A., Anführer des Unterstützerclubs
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