Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Kassiererin eine Pistole vors Gesicht: Geld her, Überfall! Wie hoch seine Beute ausfällt, will die Polizei später nicht preisgeben. Bei seinem Rückzug aus der Bank verliert Klaus L. jedoch einen Teil des Geldes. Dann sehen Zeugen sein Gelsenkirchener Nummernschild und melden es der Polizei. Diese schnappt den Räuber 35 Minuten nach der Tat. Im Auto liegen die Restbeute und die Waffe – eine Spielzeugpistole.
Am 23. Juni 2008 sieht der Familienvater endgültig keinen Ausweg mehr. Er sitzt in Duisburg im Gefängnis und schreibt drei Abschiedsbriefe an seine beiden Kinder und seine Frau, dann erhängt er sich. Als die Ehefrau am Telefon über den Suizid informiert wird, mutmaßt sie, die Bandidos könnten etwas mit dem Tod zu tun haben. »Möglicherweise hat sich Klaus doch mehr Geld geliehen, als er bisher gesagt hat«, so die Witwe.
Die Bochumer Kripo muss ihre Mammutermittlungen gegen die Gang Anfang 2009 frustriert einstellen. Für schwere Straftaten wie Drogen- oder Anabolikahandel finden sie zwar eine Menge Indizien, aber keine Beweise. Die aufgedeckten Straftaten wie Steuerhinterziehung oder Körperverletzung klagt die Staatsanwaltschaft nicht an, die Telefonate hätten als Beweise vor Gericht nicht gezählt.
Im Mai 2010 unterzeichnen Maczollek und Hause in Hannover den sogenannten Friedensvertrag mit den Hells Angels. Ein SPIEGEL-TV- Reporter fragt den Bochumer Bandidos-Boss im Anschluss an die Rocker-Zeremonie, ob sie aus Angst um ihre Geschäfte unterschrieben hätten. Maczollek sagt: »Wir haben keine Geschäfte. Und wenn, sind es legale.«
Das schwarze Schaf
Der Hund winselt schon, es ist kurz vor 10 Uhr, Heiko G. schließt die Tür auf. Sein Dogo Canario, ein muskelstrotzender spanischer Wachhund, bellt und will sich an seinem Herrchen vorbei nach draußen drängeln, doch G. hält ihn zurück. Auf dem Fußabtreter nämlich liegt ein schwarzes Schaf, mit durchschnittener Kehle, die Beine mit einem Draht verschnürt. Auf der alten Holztreppe, die hinauf zur Wohnung führt, klebt überall Blut. Heiko G. ruft die Polizei, sicher ist sicher.
Der Kadaver auf der Türschwelle markiert den Tiefpunkt in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Potsdam. Es geht um Erpressung, ein Tattoostudio, Schutzgeld und natürlich geht es um die Hells Angels.
Die Geschichte spielt im brandenburgischen Beelitz, einer Kleinstadt südlich Potsdams, die auf märkischem Sand errichtet wurde. Das Klima ist mild, sowohl Erich Honecker als auch Adolf Hitler erholten sich hier. Der eine von seiner Arbeit als DDR -Staatschef, der andere von einer Verwundung im Ersten Weltkrieg. Heute macht Spargel die Bauern in der Umgebung reich, viele Polen kommen als Erntehelfer. Der Kleinstädter selbst dagegen hat es nicht so dicke, die Arbeitslosigkeit in Beelitz liegt bei zehn Prozent.
Einer dieser Kleinstadtbewohner ist Daniel T., 23, mehrfach vorbestraft, kein kleiner, aber auch kein wirklich großer Ganove. Offenbar hat T., nachdem er seine bisher letzte Gefängnisstrafe von fünf Jahren abgesessen hat, keine rechte Lust mehr, auf unehrliche Art und Weise Geld zu verdienen. So kommt er auf die folgenschwere Idee, ein Tattoostudio zu eröffnen. In Beelitz. Ob der Ex-Knacki befähigt ist, anderen Menschen Tinte unter die Haut zu stechen, sei einmal dahingestellt.
Was sich jedoch in der Szene herumgesprochen haben sollte, ist der Umstand, dass die Hells Angels in ihrem Einzugsgebiet keine Tätowierer dulden, es sei denn, die Rocker bekommen von den Nadelkünstlern ihren Zehnten. In diesem Fall sind es allerdings satte 25 Prozent der Erlöse, die der Anführer der Berliner »Nomads«, Holger »Hocko« Bossen, für sich beansprucht.
Die ersten drei Monate laufen richtig gut. Daniel T. tätowiert, führt Buch, listet seine Einnahmen auf und packt jeden vierten Euro in einen Umschlag – bar und ohne Quittung wird der dann den Hells Angels übergeben. Im Monat sind das nach Erkenntnissen der Ermittler immerhin zwischen 600 und 1200 Euro.
Doch der Deal mit Holger Bossen hält nicht allzu lange, denn ähnlich wie in der normalen Wirtschaft werden auch im Milieu Chefs schon einmal abgelöst. So muss auch Bossen seine »Nomads« im Unfrieden verlassen. Die neuen Herren aber haben frische Ideen für das Beelitzer Tattoostudio. Zuständig für die Kasse ist ab sofort Florian G., vorbestraft und eher Typ harter Hund als smarter Geschäftsmann. Mit festen Abgabesätzen jedenfalls gibt er sich nicht zufrieden. Immer wenn G. Geld
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