ROD - Die Autobiografie
Fotos davon sah, wollte ich es umgehend kaufen. In den ersten Jahren verbrachten wir dort wunderbare Wochenenden. Alana sagte immer, es sei der einzige Ort gewesen, wo ich mich wirklich entspannte. Es stimmt: Ich bin ein unruhiger Geist, ich muss mich ständig bewegen oder irgendetwas tun. Aber in diesem Haus konnte ich einfach nur abschalten, draußen sitzen und Tee trinken oder mit den Kindern im Sand spielen. Während der Rest unseres Lebens mit immer neuen Bekanntschaften und Reisen ausgefüllt wurde, war dieses Haus eine Oase der Ruhe, ein wirklicher Familiensitz.
Jedenfalls passierte es in diesem Strandhaus an einem Wochenende im September 1980, dass bei Alana die Wehen einsetzten. Wir machten uns umgehend auf den Weg, um auf dem Freeway von Malibu in die Innenstadt von Los Angeles zu fahren. Mir schoss durch den Kopf, dass Alana Gefahr lief, ihr Baby im Auto zu bekommen – was obendrein auch noch die Sitze ruiniert hätte. Ich drückte das Gaspedal also voll durch, und es dauerte nicht lange, bis ich im Rückspiegel das Blaulicht eines Streifenwagens sah. Ich hielt am Seitenstreifen an und sprang, ohne viel nachzudenken, aus dem Auto, obwohl Alana noch »Nein, nein, tu das nicht« schrie. Es ist natürlich das Dümmste, was man machen kann, wenn man von einem Cop angehalten wird – ein Spiel mit dem Feuer. Prompt öffnete sich eine Tür des Streifenwagens, der Cop stieg aus und zielte mit seiner Waffe direkt auf meinen Kopf. Ich rief: »Meine Frau kriegt gerade ihr Baby.« Der Cop schien mich zu erkennen, zumindest senkte er seine Pistole, kam zum Wagen und sah Alana, die nur noch schrie: »Ich muss sofort ins Krankenhaus. Ich muss sofort ins Krankenhaus.«
Der Cop sagte: »Wir rufen einen Krankenwagen, Ma’am.« Alana, die das Baby kommen fühlte, schrie ihn an: »Dafür ist keine Zeit mehr. Bringt mich zu dem gottverdammten Krankenhaus, oder ich fahr mich selbst hin.« Dem Cop wurde wohl klar, dass mit dieser Frau nicht zu spaßen war, und eskortierte uns mit Blaulicht zum Cedars-Sinai-Krankenhaus.
Als wir in der Entbindungsstation eintrafen, bat man Alana, kurz die notwendigen Aufnahmepapiere auszufüllen. Worauf die Texanerin in ihr anfing herumzupöbeln: »Habt ihr alle komplett den Verstand verloren? Ich steh kurz davor, das Baby hier auf den Fußboden plumpsen zu lassen.« Nicht einmal fünfzehn Minuten später hatten wir unseren Jungen, und wie bei Kimberly nahm ich ihn in den Arm, und wieder war es Liebe auf den ersten Blick. Unser Sean.
Nun hatten wir also zwei wundervolle Kinder, ein atemberaubendes gesellschaftliches Leben, Reichtum, Glück und so viel mehr, für das man nur unendlich dankbar sein konnte …, und doch spürte ich, dass irgendetwas falsch lief.
INTERMEZZO
Und nun zu einem Thema von gravierender Tragweite, in dem unser Held eine bedenkliche Charakterschwäche einräumen muss.
M an kennt die Mechanismen, man weiß genau, wie der Hase läuft. Man ist auch gewarnt, denkt sich aber, dass man nur einen Testballon starten will, um ein vages Gefühl fürs Metier zu bekommen. Von diesen Warnsignalen gibt’s mehr als genug, doch man ignoriert sie natürlich alle, weil man davon überzeugt ist, anders zu sein als die anderen. Man glaubt, man sei die große Ausnahme – ein Fels in der Brandung, dem die Kontrolle so schnell nicht entgleitet. Doch kaum hat man sich umgedreht, ist aus dem Testballon eine Sucht geworden, die dein gesamtes Leben beherrscht. Plötzlich sitzt man stundenlang am Telefon und diskutiert mit einem Händler, als sei er dein dickster Freund.
Aber das ist nun mal das Schicksal eines Kunstsammlers: Die Sucht verändert den Charakter, sie dominiert das Leben – und die Wände des Heims obendrein. Das sagt jemand, der selbst der Sucht des Sammelns verfallen ist – konkret von Gemälden des späten 19. Jahrhunderts. Vielen, vielen Gemälden des späten 19. Jahrhunderts.
Die Gemälde der Präraffaeliten liebte ich schon als Kind: die romantische Stimmung, die Farben, die klassischen Sujets, die Dramatik und die schiere Emotion. Sie schienen die Themen meiner kindlichen Neugier punktgenau zu besetzen: Ritter in glänzenden Rüstungen, edle Jungfern in Situationen höchster Bedrängnis – und natürlich Titten. Als ich in jungen Jahren als Straßenmusiker durch die Straßen von London zog, ließ ich mich oft am Trafalgar Square nieder, gleich neben der National Gallery, und wenn’s mal zu regnen anfing, ging ich hinein, um die Gemälde aus der präraffaelitischen
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