ROD - Die Autobiografie
und viktorianischen Epoche zu studieren. Mein absolutes Lieblingsbild hing allerdings in der Tate Gallery: »The Lady of Shalott« von John William Waterhouse. Dieses Mädchen in dem Kahn, ihr blasses Gesicht mit den langen roten Haaren, der Ausdruck ihres geöffneten Mundes, die Details im Schilf und auf ihrer bestickten Decke – ich war einfach hin und weg. Mehr als einmal nahm ich ein Mädchen in die Tate Gallery mit, nur um ihr dieses eine Gemälde zu zeigen. War mal etwas anderes, als nur immer ins Café oder ins Kino zu gehen. Obendrein bekam sie dadurch einen Eindruck, was für ein feinsinniger, sensibler und gebildeter Bursche ich doch war – was sich noch nie als Nachteil herausgestellt hat, wenn man dem Mädel später an die Wäsche will.
Wie bereits erwähnt, war es Britt Ekland, die mir den Jugendstil näherbrachte, doch erst in den Jahren mit Alana (ebenfalls mit einem kundigen Auge gesegnet) fühlte ich mich souverän genug, um den Schritt von Postern zu richtigen Gemälden zu wagen. Das erste Bild, das ich mir kaufte (meine erste »Akquisition«, wie man in Kunstkreisen gerne sagt), stammt von einem gänzlich unbekannten viktorianischen Maler und trägt den Titel »Der Kuss«: Man sieht ein verliebtes Pärchen auf einem Feldweg, das sich verstohlen küsst. Ich kaufte es Ende der Siebziger einem Rumänen in Ladbroke Grove ab – für 12 Pfund. Es ist nicht übermäßig groß – vielleicht 90 mal 60 Zentimeter im Goldrahmen – und auch nicht gerade ein Meisterwerk, aber ich mochte einfach die Atmosphäre. Damit kam der Ball ins Rollen.
Mein erster nennenswerter Kauf ergab sich über Alana, die jemanden in Beverly Hills kannte, der sich gerade – man wollte es nicht glauben – von einem echten John William Waterhouse trennen wollte. Das Gemälde zitiert ein Gedicht von Keats, man erblickt »Isabella mit dem Basilikumtopf«. 1981 kostete es mich 30 000 Pfund, was mir damals ein wahnwitziger Preis für ein Ölgemälde zu sein schien, und doch mag ich mich gar nicht fragen, was es heute wohl wert ist – vermutlich so um eine Million Pfund. Verkaufen werde ich es ohnehin nie und nimmer. Als ich als durchnässter Straßenmusiker vor einem Waterhouse stand, hätte ich mir nie träumen lassen, dass eines seiner Bilder einmal in meinem Schlafzimmer hängen würde. Es ist zunächst einmal ein wundervolles Gemälde, aber gleichzeitig symbolisiert es für mich auch meine Entwicklung als Kunstkenner.
Nur zweimal bin ich nach Strich und Faden übers Ohr gehauen worden – angesichts der Umstände eine passable Quote. Von einem Innenarchitekten kaufte ich einmal etwas, von dem ich dachte, es sei ein echter Guillaume Seignac, das sich jedoch als Fälschung entpuppte. Ich war noch naiv und ein wenig zu euphorisch. Immerhin gefällt mir das Bild nach wie vor, und selbst als Kopie besitzt es einen gewissen Wert. Dann stolperte ich über eine Darstellung der beiden Prinzen im Tower, die ich für einen echten William-Adolphe Bouguereau hielt. Ich dachte mir noch: »Was für ein Schnäppchen!« Aber das Bild stammte gar nicht von Bouguereau! Glücklicherweise konnte ich mir später einige Original-Bouguereaus zulegen. Ein großformatiges Gemälde von ihm hängt bei mir im Foyer, und jeder, der Malerei aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert sammelt, wird bestätigen können, dass es gerade an diesem Ort ideal zur Geltung kommt.
Bereits Ende der Siebziger besuchte ich regelmäßig Auktionen. Und diese Szene macht nun wirklich süchtig. Die Spannung in dem Moment, wenn das Bild, auf das man scharf ist, aufgerufen wird, ist schon gewaltig. Man sollte sein Ego unbedingt im Zaum halten, weil man sich beim Bieten ganz schnell verheben kann. Ich erinnere mich, dass ich einmal Gianni Versace zu überbieten versuchte. Es hätte eine sündhaft teure Angelegenheit werden können, wenn ich nicht rechtzeitig zur Vernunft gekommen und ausgestiegen wäre. Nur um anschließend meine Wunden zu lecken. Ein Promi zu sein kann in solchen Situationen von Vor- oder von Nachteil sein. Manchmal ist es hilfreich, weil man andere Bieter schon im Vorfeld abschreckt. Bei anderen Gelegenheiten wiederum gibt es jemanden, der dem ganzen Saal beweisen möchte, dass er mehr Geld hat als du – und man findet sich in einem mordsmäßigen und völlig überzogenen Bietduell wieder. Unterm Strich ist es für mich wohl am sinnvollsten, meine wundervolle Assistentin Sarah vorzuschicken oder aber mich telefonisch an der Auktion zu beteiligen. Es ist sicher
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