ROD - Die Autobiografie
damit, jeden Moment entlassen zu werden.
Das Warten zog sich etwas hin. Dann rief mich ein Arzt in sein Büro und erklärte mir, sie hätten auf einem Bild etwas entdeckt, das sie sich genauer ansehen wollten – etwas an der Schilddrüse. Am nächsten Tag fuhr ich wieder ins Krankenhaus und unterzog mich einer Biopsie. Unter örtlicher Betäubung wurde mit einer Nadel ein Teil des befallenen Gewebes entnommen, um es zu analysieren. Und schon einen Tag später bekam ich einen Anruf, bei dem mir der kalte Schweiß ausbrach. Die Ergebnisse der Tests deuteten darauf hin, dass das »Etwas« auf meiner Schilddrüse eine bösartige Geschwulst war: Krebs.
Eine solche Nachricht trifft dich ins Mark. Als die anfängliche Benommenheit nachließ, kämpfte ich mit der Angst, fühlte mich verletzlich wie nie zuvor. Es war ein Segen, dass die nötigen Maßnahmen so schnell eingeleitet wurden und mir kaum Zeit blieb, diesen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Zwei Tage nach der Biopsie fuhr man mich für die Operation zurück zum Cedars-Sinai, wo ich um fünf Uhr früh unter dem Namen Billy Potts eincheckte (die Namen meiner beiden Hunde), damit die Presse möglichst keinen Wind davon bekam, dass »Rockstar Rod« für eine Krebs-OP ins Krankenhaus musste.
Vor dem Eingriff lag ich im Vorraum des Operationssaales, medikamentös benebelt, mit meinen Kopfhörern auf den Ohren, und sang zu einer CD im Walkman – Sam Cooke, mein verlässlicher Trost in schweren Zeiten. Draußen ging eine Schwester durchs Wartezimmer und deutete auf die Wand, hinter der sie meine Stimme hörte.
»Gar nicht übel, oder?«, sagte sie.
»Wir hoffen, dass er es eines Tages beruflich machen kann«, antwortete Annie Challis, meine Assistentin, die mit ins Krankenhaus gekommen war, um ein Auge auf mich zu haben.
Die Prozedur dauerte vier Stunden, und der Chirurg führte das Skalpell bis auf Millimeter an meine Stimmbänder heran. Nur ein kleiner Ausrutscher – und es hätte »Gute Nacht, Marie« geheißen, zumindest was meine Karriere anging. Aber die Operation wurde ein voller Erfolg. Als ich wieder zu mir kam, teilte man mir mit, dass der Chirurg alles entfernt hatte, was entfernt werden musste. Und da alles Üble draußen war, musste ich mich auch keiner Chemotherapie unterziehen, was wiederum bedeutete, dass ich nicht Gefahr lief, meine Haare zu verlieren. Und Hand aufs Herz: Wenn ich eine Reihenfolge der Bedrohungen für meine Karriere aufstellen sollte, käme der Verlust meiner Haare gleich nach dem Verlust meiner Stimme.
An diesem Abend besuchte mich meine Ex-Frau Rachel mit unseren Kindern Renee und Liam im Krankenhaus, und Annie besorgte für uns alle im Restaurant Le Dôme Lammragout, aber ich kriegte nichts runter. Trotzdem waren wir in Feierlaune. Der beängstigende Zwischenfall schien vorüber.
Die echte Panik – aus meiner Warte – stand mir allerdings noch bevor. Um an den Tumor heranzukommen, war es nötig gewesen, durch meine Halsmuskeln zu schneiden. Wie man mir in den folgenden Konsultationen erklärte, würden die Muskeln wieder zusammenwachsen, doch die Muskel-Erinnerungen, die ich durch mein jahrelanges Singen aufgebaut hatte, waren verloren. Das heißt, die Muskeln würden eine ganze Weile nicht wissen, was sie taten. Sie würden es neu lernen müssen.
Mich interessierte natürlich vor allem: Würden sie es auch schaffen?
»Lassen Sie ihnen drei Monate Ruhe«, beruhigte mich der Arzt, »dann können Sie davon ausgehen, dass Sie bald wieder so etwas wie eine Singstimme haben.«
Puh.
Allerdings könnte es sein, dass es nicht mehr dieselbe Stimme wäre …
Ah.
Und was wäre, wenn ich eine ganz andere Stimme bekäme? Was wäre, wenn ich plötzlich die Stimme eines – beispielsweise – nicht sonderlich guten Sängers hätte? Ich wollte nicht irgendeine Stimme. Ich wollte meine Stimme wiederhaben.
Und wieder lautete die Antwort der Ärzte, ich solle mich drei Monate schonen – und einfach abwarten, was passiert.
Vom Singen mal ganz abgesehen – es dauerte mehrere Wochen, bis ich überhaupt heiser flüstern konnte. Meine Stimme hatte zwar schon immer etwas Krächzendes an sich gehabt, doch jetzt krächzte ich nur noch.
Drei Monate vergingen, und ich konnte immer noch nicht singen. Keinen Ton. Vier Monate, fünf Monate …, nichts. Ich machte den Mund auf, aber es kamen nur schwache, sandpapierartige Laute heraus – farblos, ausdruckslos. Das waren die längsten Wochen meines Lebens. Ich wachte morgens auf und dachte:
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