ROD - Die Autobiografie
»Okay, vielleicht merke ich heute einen Unterschied.« Und dann – entmutigend – keine Veränderung. Hatten sie nicht was von drei Monaten gesagt? Schon bald waren es sechs, und ich konnte immer noch nicht singen.
War es an der Zeit, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass alles aus war? Wie sollte ich damit umgehen? »Ne Weile lief es doch ganz gut, Mann. Hast ein paar Platten verkauft, ein bisschen Geld verdient, hattest deinen Spaß. Mehr als das. Sieh es positiv: Hätten sie dir das alles geboten, als du am Anfang standst, du hättest es ihnen gierig aus den Händen gerissen.«
Ja, aber kein Singen mehr, keine Platten, keine Auftritte. Wie leicht würde es mir fallen, das alles aufzugeben? Und was wäre dann noch von mir übrig? »Waren Sie nicht mal Rod Stewart?« Wie leicht würde es mir fallen, wenn alles einfach … zu Ende wäre?
Und zwar nicht zu einem von mir selbst gewählten Zeitpunkt, sondern als Resultat einer willkürlichen zellularen Fehlfunktion. Kein großer Abschied im Scheinwerferlicht irgendwo auf einer Bühne – nur ein kleines Achselzucken, ein stilles Lebewohl.
Sting erklärte einmal, zumindest habe ich es irgendwo so gelesen, wenn für ihn morgen alles vorbei wäre, wenn ihm keine Songs mehr einfielen und alles Geld ausgegeben und der Ruhm verflogen wäre, könnte er sich ohne Weiteres mit einer kleinen Wohnung zufriedengeben so wie früher, bevor er Erfolg hatte. Ich wette, das könnte er nicht. Ich könnte es jedenfalls nicht.
Was würde ich mit mir anfangen, wenn ich nicht mehr singen konnte? Ich bräuchte definitiv einen Job. Das Rezept meines Vaters für Zufriedenheit habe ich ja schon erwähnt: einen Job, einen Sport und ein Hobby. Fehlte nur eine dieser Zutaten, konnte ich unmöglich zufrieden sein. An einem dieser Tage, an denen ich so richtig verzweifelt war, starrte ich aus dem Fenster und dachte: »Wenn ich nicht mehr Sänger sein kann, werde ich eben Landschaftsgärtner.« Der Entwurf, die Vision, die Planung, auf der Terrasse zu stehen und mit dem Finger aufzuzeigen: hier ein italienischer Springbrunnen, dort eine Herkules-Statue, dahinter ein Orangenhain …, das könnte ich machen. »R. Stewart und Söhne, Landschaftsarchitektur.«
Doch selbst in dem Moment, als ich diesen unwahrscheinlichen Plan in allen Details durchspielte, war ein Teil von mir noch so weit bei Verstand, um Folgendes zu begreifen: Wer jemals Sänger in einer Rock’n’Roll-Band war, wird danach kaum etwas finden, das ihm dieselbe berufliche Zufriedenheit bieten kann. Sänger einer Rock’n’Roll-Band zu sein ist meiner Meinung nach schlicht und einfach der beste Job der Welt. Danach kann es nur Enttäuschungen geben – selbst wenn sich herausstellen sollte, dass ich ein besonders guter Landschaftsgärtner wäre.
Gegen Ende des sechsten Monats jedoch machte es in meinem Kopf klick, und ich änderte die Taktik. Bisher hatte ich darauf gewartet, dass meine Stimme von selbst wiederkommen würde, aber das war nicht passiert. Wie wäre es, wenn ich ihr auf die Sprünge half? Zwar lief ich Gefahr, sie dabei endgültig zu ruinieren, aber darauf kam es jetzt auch nicht mehr an, oder?
Ich nahm Kontakt zu einem Mann namens Nate Lamb auf, Kantor einer Synagoge in meiner Nähe. Man hatte mir gesagt, er wüsste alles über Stimmen und die Möglichkeiten, sie zu stärken. Nate kam mich besuchen und zeigte mir ein paar Stimmübungen – er saß am Klavier, ich daneben, mutlos und unsicher. Es war wie ein tägliches Übungsprogramm – das ich bis heute beibehalten habe. Er ließ mich Tonleitern singen, Läufe und Arpeggien. Er zwang mich, prustende und summende Laute von mir zu geben. Er war entschlossen, geduldig und zuversichtlich. Er war genau derjenige, den ich brauchte. Jeden Tag kam Nate zu mir, und jeden Tag führten wir dasselbe Programm durch. Ich bin ihm zu unendlichem Dank verpflichtet.
Dann ging ich zur zweiten Phase meines Planes über. Die bestand darin, dass ich meine Band anrief, sie zu mir nach Hause holte, in der Garage Verstärker aufbaute und einfach sang . Sollte die Stimme mitspielen, was sie zweifellos tun würde, wollte ich dasselbe auch am nächsten Tag tun und am übernächsten, bis sie wieder ihre alte Form besaß – oder klar wäre, dass sie einfach nicht mehr wiederkommen würde, je nachdem.
Also lief die Band bei mir ein – Chuck Kentis, der Keyboarder, Carmine Rojas am Bass, Paul Warren, der Gitarrist, Dave Palmer an den Drums. Wir fanden, »Maggie May« sei ein guter
Weitere Kostenlose Bücher