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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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die Erwartung der Soldaten, von ihren Generälen mit Belohnungen entschädigt zu werden. Diese hatten in den fünfzehn Jahren seines Aufstiegs immense Höhen erreicht, denn während der Bürgerkriege waren Bonuszahlungen als Anreiz zum Wehrdienst in Aussicht gestellt worden. Nachdem viele Soldaten aus der Armee entlassen und mit Bargeld und Land abgefunden worden waren, musste Augustus erkennen, dass seine neu konzipierte Gemeinschaft es sich politisch und finanziell nicht würde leisten können, von den Soldaten weiterhin mit extensiven, kostspieligen und unvorhersehbaren finanziellen Erwartungen praktisch erpresst zu werden. Er löste das Problem durch einen klaren Bruch mit dem Mythos der Bauer-und-Soldat-Familie und stellte der zivilen die militärische Familie zur Seite, die als Basis für Rekrutierung, Organisation und Loyalität der zukünftigen Armee fungieren sollte. In seiner Deutung des Traums über »die Laufbahn des Soldaten« erfasst Artemidor genau, worum es ging:
     
    Zum Heeresdienst eingezogen zu werden oder ins Feld zu ziehen bedeutet allen, die irgendwie krank sind, den Tod; denn der Mann, der ins Feld zieht, gibt sein Privatleben auf und übt statt der bisherigen Tätigkeit eine neue aus. (
Traumbuch
2,31)
     
    Im Prinzip verfolgte Augustus mit der
Lex Papia Poppaea
und der Militärreform dasselbe Konzept: die Wiederherstellung oder Herstellung einer grundlegenden Einheit von Leben und Verantwortlichkeit in der zivilen wie in der militärischen Welt.
    Die neue Armee (die natürlich nie offen als solche bezeichnet wurde) hatte alles, woran es der Armee seiner Jugend in den Augen des Kaisers gefehlt hatte. Ohne die umfangreichen, regelmäßig durchgeführten Einberufungen bedeutete die Aufstellung der Einheiten nicht länger einen Einbruchins Familienleben; die 20- bis 25-jährige Dienstzeit für einen Soldaten hatte zur Folge, dass in der gesamten römischen Bürgerschaft jährlich nur ungefähr 7500 neue Soldaten rekrutiert werden mussten. Loyalität schuldeten die Soldaten nur dem Kaiser oder seinen Stellvertretern. Ein formelles Belohnungssystem mit Richtlinien für Beförderungen, ein regulärer Sold und ein Entlassungsbonus wurden etabliert, was der Neigung zur Austeilung von Ad-hoc-Belohnungen bzw. deren Erwartung ein Ende setzte. Insbesondere sicherte man die umfassende Bindung an die militärische Pflicht: Die Soldaten wurden von jeder Orientierung an der zivilen Welt abgeschottet. Im Mittelpunkt standen die Kameraden; in ihrem Kreis, nicht in der Familie, fand man sozialen Kontakt und Beistand. Oft wurden die Soldaten weit entfernt von ihrer heimischen Umgebung und ihrer Familie eingesetzt, von der sie dann jahrelang getrennt blieben, nicht selten für den Rest ihres Lebens. Der deutlichste Beweis für den Erfolg dieses Prozesses ist die große Zahl von Grabweihungen von Soldaten für einen Kameraden. Hier zwei Beispiele:
     
    Gaius Julius Reburrus, Soldat der Siebten Legion Gemina Felix, geboren in Segisama Brasaca, liegt hier; er lebte 52 Jahre und diente davon 24. Licinius Rufus, Soldat derselben Legion, weihte den Grabstein. (
CIL
II 4157, Tarragona)
     
    Dies ist ein Denkmal für Aurelius Vitalis, einen Soldaten der Dritten Flavischen Legion, der in seinem 25-jährigen Leben 7 Jahre diente. Flavius Proculus, ein Teilnehmer am Einfall in Germanien, Soldat der eben erwähnten Legion und Vitalis’ Erbe zweiten Grades, errichtete dies für einen großartigen Kameraden. (
CIL
XIII 6104 =
ILS
2310, Speyer)
     
    Der Unterschied zwischen diesen Inschriften und den Familienweihungen der zivilen Welt macht es deutlich: Die Familie des Soldaten sind andere Soldaten, und eben dies sollte das Heiratsverbot bewirken.
    Ein zentrales Element der Schaffung dieser Militärfamilie war der Versuch, die Grundlage der bürgerlichen Familie, die Fortpflanzung, zu verhindern – und damit die Überlieferung dieser bürgerlichen Familie als einer Einheit in die Zukunft. Wenn Kinder und die Weitergabe eines Erbes die wichtigste
raison d’être
der bürgerlichen Familie bildeten, war die Unterbindung der Fortpflanzung der Schlüssel zum Bestand der militärischenFamilie. Nur durch den Ausschluss der Möglichkeit, legitime Kinder zu zeugen, konnte die Beziehung eines Soldaten zur bürgerlichen Orientierung der bürgerlichen Familie getilgt und eine dauerhafte Konzentration auf die militärische Familie gesichert werden. Wie Tertullian zutreffend erkannte, wird ein Mann durch ein solches Zölibat innerhalb

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