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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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seiner Gesellschaft isoliert, und es entsteht eine Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft, in seinem Fall eine christliche, im Fall des Römischen Reiches eine militärische.
    Es versteht sich, dass dieses Zölibat mitsamt seinem radikalen Ziel, eine militärische Gesellschaft neben der zivilen zu schaffen, Sexualität, Frauen und Kinder nicht grundsätzlich aus dem Leben eines Soldaten ausschloss. Soldaten stand es jederzeit frei, Sexualverkehr zu haben und sich auf Beziehungen mit Frauen einzulassen. Hier gab es kein Verbot. Das Verbot richtete sich gegen die Gründung der Familie
im Rahmen des Gesetzes
. Es war – vielleicht mit Erfolg – in der Absicht erlassen worden, das Leben des Soldaten von diesen Bindungen freizuhalten. Die erhebliche Abnahme von Angriffskriegen in der Zeit nach Augustus hatte die unvorhergesehene Folge, dass die Legionen immer mehr zu Festungstruppen wurden. Der Segen, den die Abwesenheit zugehöriger Frauen und Kinder im Wanderleben der Soldaten bedeutete, wurde mit wachsender Sesshaftigkeit der Legionen zum Fluch. Die Vorschriften im Rahmen des Zölibats wurden immer weiter gelockert – Einräumung gleicher Rechte für die Soldaten, wie sie für verheiratete Männer galten (unter Claudius), testamentarische und Erbschaftsbestimmungen, die den unehelichen Kindern von Soldaten zunehmend erlaubten, wie legitime Kinder zu erben (unter den Flaviern sowie unter Trajan und Hadrian). Der Prozess gipfelte in der Aufhebung des Heiratsverbots und ging einher mit der zunehmend immobilen Stationierung der Legionen und der Errichtung fester, gemauerter Legionärslager und Außenposten. Das System einer abgeschotteten Militärgesellschaft kollabierte. Vom Versuch des Augustus, eine Militärfamilie zu schaffen, die nur
dem pater familias militum
– dem »Vater der Familie der Soldaten« – Treue schuldete, und damit das Aufkommen von Kriegsherren im Keim zu ersticken, war mit Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. keine Spur geblieben. Deshalb ist es vielleicht wenig überraschend, dass die Bekräftigung dieses Prozesses, die Aufhebung des Heiratsverbots unter Septimius Severus, am Beginn eines Jahrhunderts stand, in dem das politische Leben des römischen Staates von erneuter Zwietracht, rivalisierenden Kriegsherren und hohen Forderungen der Soldaten geprägt wurde.

Abb. 24
(links)
. Das Bild eines Soldaten und seiner Ehefrau schmückt ihren Grabstein im heutigen Ungarn; vor ihnen ihr Sohn. Da er wie sein Vater in der linken Hand ein Schwert hält, war auch er vermutlich Soldat.
     
    Abb. 25
(rechts)
. Die erweiterte Familie eines Soldaten: Dieser Grabstein aus Aquincum, dem heutigen Budapest, wurde nach der Aufhebung des Heiratsverbots im frühen 3. Jh. n. Chr. errichtet. Der Text lautet: »Den Göttern der Unterwelt. Aurelia Ingenua, die Tochter, errichtete dies auf ihre eigenen Kosten für die geliebten Eltern, Aurelius Maximus, Veteran der Zweiten Hilfslegion, ihren Vater, und für Aelia Prima, ihre Mutter; ebenso auch für Aelia Resilla, ihre Großmutter. Auch Aurelius Valens, ein Soldat der Zweiten Legion, weihte dies den freundlichsten Schwiegereltern.«
    So vielfältig die Beziehungen zu Frauen während der Dienstzeit auch waren, bei der Entlassung eines Soldaten konnte die Partnerin auf seinen Wunsch hin als
uxor,
als legale Ehefrau mit allen Privilegien einer verheirateten Frau anerkannt und damit die De-facto-Situation im Wehrdienst offiziell gemacht werden. Dabei hatte der Soldat keine Bestrafung wegen»Verletzung« des Heiratsverbots zu gewärtigen. Die Rechtsunfähigkeit war für eine Verbindung während der Dienstzeit allerdings nicht ohne Bedeutung. Vor allem war ohne eine Eheschließung nach römischem Recht das Vererben von Namen und Besitz unmöglich. Das Kind konnte nicht ins Geburtenregister eingetragen werden (Beweis des römischen Bürgerrechts). Ungeachtet des rechtlichen Status des Vaters und/oder der Mutter war jedes Kind illegal und konnte nicht als legitimer Sohn das Erbe antreten, eine Situation, die sich erst mit Lockerung der Erbschaftsgesetze änderte. Das Kind konnte natürlich zum Erben bestimmt werden, doch war eine solche Bestimmung weniger zwingend als im Fall des Sohnes, der als legitimer Sohn erbte. Hatte ein Soldat bei seiner Anwerbung Ehefrau und Kind, wurde die Ehe aufgelöst und das Kind (wahrscheinlich) als unehelich erklärt. Als sicher kann diese Herabsetzung des Status für jedes folgende Kind gelten. Auch die Mitgift der Ehefrau entfiel, ebenso eine

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