Römer im Schatten der Geschichte
»Geschäftsausgaben«.
Das anschaulichste und ausführliche Beispiel eines Soldaten, der seine Macht missbraucht, findet sich in Apuleius’ Roman
Der goldene Esel
(9,39 – 42). Auf einer Straße in Thessalien reitet ein Gärtner auf Lucius, dem vom Menschen in einen Esel verwandelten Protagonisten des Werks. Ihnen kommt ein allein reisender Zenturio entgegen. Beim Zusammentreffen wird der Legionär durch seine Uniform
(habitus)
und durch sein Verhalten
(habitudo)
als solcher erkannt. Er verhält sich hochmütig und arrogant
(superbo atque adrogant sermone)
und spricht den Gärtner auf Lateinisch an, der offiziellen Sprache der Armee, obwohl sie sich in einer griechischsprachigen Region aufhalten, und schneidet ihm den Weg ab. Er beruft sich auf sein Recht, Transportmittel zu requirieren, und beschlagnahmt den Esel zur Beförderung von Gepäck und Ausrüstung seiner Einheit. Als der Gärtner versucht, sich an ihm vorbeizudrängen, und seine lateinisch vorgebrachte Frage unbeantwortet lässt, fühlt der Hauptmanns sich brüskiert. Augenblicklich zeigt sich seine natürliche Arroganz
(familiarem insolentiam)
– er greift zur Gewalt und schlägt den Gärtner mit seinem Kommandostab zu Boden. Der Gärtner erkennt offenbar das ungleiche Kräfteverhältnis und versucht den Soldaten durch Gehorsam
(subplicue)
zu beschwichtigen. Als Entschuldigung bringt er vor, dass er kein Latein verstehe. Der Soldat wiederholt daraufhin, dass er den Esel von Staats wegen beschlagnahme, und führt ihn in Richtung seines Kastells.Wieder versucht es der Gärtner mit Bitten – in unterwürfigem Ton wendet er sich an den Soldaten und fleht ihn an, freundlicher zu sein. Vergeblich. Das Drängen des Gärtners stachelt die Gewalttätigkeit des Hauptmanns nur weiter an, der jetzt versucht, ihn mit weiteren Schlägen seines Stabes zu töten. Daraufhin packt der Gärtner den Soldaten und prügelt ihn halb zu Tode. Dann flüchtet er in die nächste Stadt. Der Soldat kommt zu sich und versichert sich der Hilfe von Kameraden, die ihrerseits die Beamten der Stadt auffordern, den Gärtner zu suchen und wegen Angriffs auf einen Soldaten hinzurichten. Die Magistrate befürchten Konsequenzen vonseiten des Kommandanten, wenn sie nicht handeln. Der Gärtner wird festgenommen und eingesperrt und vermutlich ohne Gerichtsverhandlung hingerichtet. Der Soldat kommt trotz seiner maßlosen Gewalt gegen den Gärtner ungeschoren davon. Er belädt Lucius mit seiner Militärausrüstung, die augenfällig zur Schau gestellt wird, um jeden einzuschüchtern, den er auf der Straße treffen könnte
(propter terrendos miseros viatores),
und zieht weiter in die nächste Stadt, wo er sich einem Beamten zur Beherbergung aufdrängt, statt in einem Gasthaus zu übernachten.
In dieser Begegnung werden die negativen Seiten sichtbar, die das Militär für die Zivilisten hatte: Arroganz, der man hilflos ausgeliefert war, unberechtigte Beschlagnahmung, Einquartierung auf Kosten der Zivilbevölkerung, Gewalttätigkeit, vor der es keinen wirksamen Schutz gab, und Manipulation des zivilen Gerichtswesen zugunsten der Soldaten.
Eine Episode bei Petron veranschaulicht ein ähnlich überhebliches Verhalten. Enkolpius, von seinem Geliebten Giton verlassen, bindet das Schwert um und macht sich auf, Rache zu nehmen:
Wie ich aber mit verstörter und grimmiger Miene auf nichts anderes als Mord und Totschlag sann …, bemerkte mich ein Soldat, ob er sich nun herumtrieb oder im Dunkel den Spitzbuben machte, und sagte: »Hallo, Kamerad, aus welcher Legion bist du und überhaupt aus wessen Hundertschaft?« Als ich mit der größten Keckheit sowohl Hauptmann wie Legion erfand, sagte er: »Dann hör einmal: laufen in eurer Truppe die Soldaten mit Pumps herum?« Als nun meine Miene und schon meine Verdatterung die Lüge verrieten, forderte er mich auf, die Waffen zu strecken, sonst würde es mir schlimm ergehen. (
Satyrica
82)
Aus der Sicht des Soldaten reizte die Zugehörigkeit zur Armee also zu einem Gefühl der Überlegenheit gegenüber der Zivilbevölkerung, einem Machtbewusstsein, das fast jeden Exzess zugleich erlaubte und entschuldigte. Da jede Kontrolle von außen fehlte, blieben nur die Selbstkontrolle, ein fraglos höchst ineffizientes Mittel, und die fruchtlose Krittelei römischer Beamter:
Der Provinzstatthalter wird auch Vorkehrungen treffen, daß in einfachen Verhältnissen lebende Menschen nicht unter dem Vorwand, es seien Beamte oder Soldaten einzuquartieren, mit
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