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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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erste eingehende Untersuchungen zur Homosexualität in der römischen Armee der Kaiserzeit publiziert. Andere Arbeiten behandeln die offenbare schwere Bestrafung homosexuellen Verhaltens in der Zeit der Republik und stützen sich dabei auf Beispiele der Offizierskultur in Schriften der Elite, die stark von Begriffen wie »Männlichkeit« und »Ehre« geprägt sind. Zumindest zeigen brutale Strafen – die allerdings wohl nur selten verhängt wurden –, dass Homosexualität in diesen Armeen existierte. Für die Armee der späten Kaiserzeit allerdings fehlen selbst Quellen aus der Oberschicht, die über Einstellung oder Vorgehen hinsichtlich homosexueller Praktiken unter einfachen Soldaten in den Legionen aufklären könnten. Ein paar wenige Bruchstücke von Belegen können allerdings dazu beitragen, zumindest ein allgemeines Bild zu gewinnen.
    Beziehungen von Männern zu Sklaven und Strichjungen wurden von der Elite zwar mit Stirnrunzeln aufgenommen, und das nicht ganz ohne Heuchelei, im Allgemeinen aber achselzuckend akzeptiert. Da einfache Soldaten und besonders Zenturionen sich Sklaven hielten, waren homosexuelle Beziehungen auch in der Armee üblich. In Plautus’
Pseudolus
(
Pseudolus, der Erzschelm
– 1180 f.) wird ein Sklave ebendieses Verhaltens beschuldigt: »Wenn des Nachts der Hauptmann ging auf Wache und du mit ihm gingst, / Sag, geriet in deine Scheide nicht schon mal des Hauptmanns Schwert?« Im Epigramm 1,31 und andernorts spricht Martial von der sexuellen Beziehung des Zenturios Aulus Pudens zu seinemSklavenjungen Encolpus. Auch Verhältnisse mit männlichen Prostituierten wurden vermutlich toleriert. Es dürfte also höchst unwahrscheinlich sein, dass Soldaten, die an sexuelle Befriedigung durch Sklaven und bezahlte Partner gewöhnt waren, immer ablehnend reagierten, wenn ein Kamerad ihnen Avancen machte oder Bereitschaft zum Sexualverkehr erkennen ließ.
    Das einzige mögliche Hindernis für den Sexualverkehr zwischen sozial Gleichgestellten, das heißt zwei einfachen Soldaten, war ein kultureller Vorbehalt, der für Römer aller Schichten gut belegt ist: Der passive oder »rezeptive« Partner in einer Beziehung wurde als weibisch stigmatisiert, und weibisch zu sein war das Gegenteil der Männlichkeit, deren Forderung Teil der soldatischen Kultur war. Mancher Soldat verzichtete wohl auf eine sexuelle Beziehung der negativen Assoziationen wegen, anders gesagt, um sich nicht der Verletzung einer wichtigen Norm männlichen Verhaltens schuldig zu machen. Wie es scheint, galt dieses Tabu für die Bürgerarmee der Mittleren Republik und vielleicht sogar für die Späte Republik, die Zeit, auf die alle uns überlieferten Zeugnisse der Elite über die Greuel männlicher Homosexualität in der Armee zurückgehen. Danach schweigt die Überlieferung. Während der Kaiserzeit gibt es keinen Bericht über Offiziere, die ihnen unterstellte Soldaten verführen, keinen Hinweis auf eine Reglementierung der Sexualbeziehungen unter den Soldaten, nichts. Dafür wurden verschiedene Erklärungen vorgeschlagen. Einen Hinweis liefert ein historischer Vorfall: Als zwei Soldaten beschuldigt wurden, an der Verschwörung des Saturninus zur Ermordung Kaiser Domitians beteiligt gewesen zu sein, erwiderten sie, das sei unmöglich, denn es sei bekannt, dass sie »Penetrierte« seien, das heißt die passiven Partner im homosexuellen Verkehr, deswegen seien sie so sehr marginalisiert, dass niemand sie in eine Verschwörung einbezogen hätte (Sueton,
Leben des Domitian
10,5). Diese Erklärung vermittelt das Bild von Soldaten, die um die passive Rolle einiger ihrer Waffenbrüder wussten, dies als Stigma bewerteten, doch nichts weiter unternahmen. Es gibt kein »Outing«, keine Bestrafung außer einer gewissen Marginalisierung innerhalb der soldatischen Gemeinschaft. Der soziale Druck bewirkte wohl, dass die Soldaten sich bemühten, ihren Umgang vor ihren Kameraden soweit möglich zu verbergen, doch die Beziehungen wurden eindeutig fortgeführt. Solange jedoch ein Soldat entweder die äußeren Attribute der Männlichkeit wahrte, oder immer wieder seine Fähigkeit demonstrierte,in Übungen, Strapazen und Kämpfen seinen Mann zu stehen, hatte er außer gelegentlichen Sticheleien nichts zu befürchten.
    Das religiöse Leben
    Die Anpassung eines Soldaten an das Militärleben versuchte man auch dadurch zu erreichen, dass man der Religion einen neuen Inhalt gab. Die Gottheiten, die ein Soldat vor seiner Rekrutierung verehrt hatte, wurden mit

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