Römer im Schatten der Geschichte
schaffen, die sich von der des zivilen Lebens unterschied. Die Rekrutierung trug alle Merkmale der Initiation in eine neue religiöse Welt: die Aufnahme der persönlichen Daten, die Tätowierung, die ihn von den Nicht-Gekennzeichneten unterschied, und der dem Kaiser geschworene heilige Eid, all das diente der Neuausrichtung des Rekruten, während die religiösen Anlässe im Lauf des Jahres einerseits die Abgrenzung von der Zivilbevölkerung, andererseits die Zusammengehörigkeit der Initiierten bekräftigten.
Daneben war ein privates religiöses Leben der Soldaten jedoch nicht ausgeschlossen. Wenn man sagen kann, dass bei den kultischen Aktivitäten im Rahmen der Gemeinschaft die offizielle Religion der Truppe im Mittelpunkt stand, bei den individuellen hingegen der persönliche religiöse Glaube, dann verweist das Zeugnis individueller Weihungen auf ein lebendiges religiöses Leben (Abb. 26). Dem sollte man jedoch nichtallzu viel Gewicht beimessen. »Private« Soldatenkulte gab es nicht; die zwei in diesem Zusammenhang meistgenannten, der Kult des Mithras und der des Iupiter Dolichenus, sind durch wesentlich mehr nicht-soldatische als soldatische Weihungen bezeugt. Im Fall des Mithras-Kults stammen weniger als zwanzig Prozent der Weihungen von Soldaten, weniger als vierzig Prozent sind dem Dolichenus dargebracht. Doch obwohl nicht spezifisch »militärisch«, waren diese und andere Kulte eine Ergänzung der religiösen Orientierung, die die Legion selbst kennzeichnete.
Abb. 26. Soldaten beim Opfer.
Soldaten und soziale Mobilität
Nicht alle Rekruten, doch ein erheblicher Teil unter ihnen muss zu den Armen gezählt werden. Die oben genannten Vorteile des Waffendiensts in Verbindung mit dem Status des Veteranen bedeuteten, dass die Armee als einzige Institution der römischen Welt gelten kann, die sowohl soziales als auch finanzielles Fortkommen garantierte, wenn man hart arbeitete und lange genug lebte. Sie lieferte nicht nur die finanziellen Mittel, gleichviel, ob recht- oder unrechtmäßig erworben; weit wichtiger ist, dass sie es möglich machte, sich zwischen verschiedenen sozialen Klassen zu bewegen, was in der zivilen Welt praktisch unmöglich war. Ein einfacher Soldat konnte einen hohen Dienstgrad erreichen und dann als Veteran zum Ratsherrn werden:
Dieses Grabmal ist für Gaius Julius Valerio, Sohn des Gaius, aus der
tribus
der Papirier, Veteran der Dreizehnten Severischen Doppellegion, früher Soldat zur besonderen Verwendung, der zum Ratsherrn und vorsitzenden Magistrat der Kolonie Sarmizegetusa wurde. Gaius Julius Valerianus, auch er Offizier zur besonderen Verwendung, Carus, militärischer Versorger und Ratsmitglied der oben genannten Kolonie, Fronto, Soldat der Ersten Prätorianischen Kohorte und Sekretär des Obersten der kaiserlichen Leibwache, ebenfalls Ratsmitglied derselben Kolonie, Valeria und Carissima, ihre Kinder, errichteten dies zum Andenken an ihren Vater. Der Stadtrat hat den Platz für das Grabmal zugeteilt. (
AE
1933, 248, Sarmizegetusa)
Solche Mobilität war unter Nicht-Soldaten fast einmalig und ein weiterer Grund für die große Anziehungskraft, die das Heer auf arme, aberauch auf weniger arme Zwanzigjährige ausübte, denen der Sinn nach Höherem stand.
Nachteile des Wehrdiensts
Bei allen Vorteilen, die sich ein Mann vom Wehrdienst versprach, gab es auch Nachteile. Gravierend war vor allem, dass der Soldat willentlich eine Beschneidung persönlicher Freiheiten und Rechte in Kauf nahm. Mit seinem Eid gab er sich in die Kontrolle seiner Herren, das heißt seiner Offiziere, die bis zur Verhängung der sofortigen Todesstrafe gehen konnte. Bei Artemidor heißt es: »Viele wurden zwar freigelassen, mussten aber weiter Sklavenarbeit leisten und blieben untergeordnet; denn ein Soldat muss dienen, auch wenn er persönlich frei ist« (
Traumbuch
2,31). Wie andere Männer, die beschlossen, ihre Freiheit dem Willen eines anderen zu unterstellen, zum Beispiel Schuldknechte und Gladiatoren, kamen die Soldaten zu dem Schluss, dass die zu erwartenden Vorteile den Freiheitsverlust aufwogen. Allerdings gaben sie etwas auf, das für Zivilisten einen hohen Wert darstellte.
Tägliche Gefahren waren namentlich Krankheiten, in vormodernen Armeen die häufigste Todesursache, und natürlich militärische Aktionen, sei es in Kriegen oder in sogenannten friedenserhaltenden Operationen. Bei Artemidor heißt es, dass ein alter Mann, der davon träumt, Soldat zu werden, oft seinen Tod voraussieht
Weitere Kostenlose Bücher