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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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seinem Dienstantritt natürlich nicht verboten. Doch wurde er angehalten, sich statt eines Spektrums lokaler/ethnischer Götter den zwei alles überragenden Manifestationen des Göttlichen zuzuwenden: dem Kaiser und der »offiziellen« römischen Gottheit Jupiter Optimus Maximus mitsamt dem Rest des Pantheons sowie dem »Ewigen Rom« und der Victoria Augusti als Inbegriffen des römischen Staatswesens.
    In der Person des Kaisers fielen Kriegs- und Staatsführung untrennbar zusammen. Die offizielle Religion legte den Akzent auf die Einheit der Streitkräfte wie auch auf die zentrale Rolle des Kaisers darin. Das sichtbare Zeichen dieser Funktion war die Privatarmee des Kaisers als der Verkörperung Roms. Augustus wuchs über den Rang seiner kriegführenden Vorgänger und Zeitgenossen hinaus und beanspruchte nicht die Vormachtstellung im Staat, sondern quasigöttliche Führerschaft, um zum Synonym des Staates zu werden, was schließlich unter seinen Nachfolgern realisiert wurde. So waren Treue zu Rom und Treue zum personifizierten Rom, dem Kaiser, im Geist des Soldaten untrennbar verbunden. Treue zum Kaiser war das Zentrum des Soldatenlebens: »diese, die bloß ihren Sold empfangen, schwören, daß ihnen auf der Welt nichts wichtiger noch angelegner sein sollte, als des Kaisers Wohl« (
Epiktets Gespräche
1,14,15). Vegetius (2,5) und fragmentarische Quellen ermöglichen eine ungefähre Vorstellung: Die Soldaten schwören bei der Majestät des Kaisers, mit Eifer alles zu tun, was der Kaiser befiehlt, sein Wohlergehen
(salus)
und das seiner Familie zu sichern, nie fahnenflüchtig zu werden noch sich zu weigern, für Rom zu sterben. Mit Sicherheit wurde der Eid jährlich wiederholt, wahrscheinlich aber wurde er jeden Morgen beim Wecken gesprochen. Auf jeden Fall aber war sein Credo allgegenwärtig. Die Soldaten nahmen den Eid ernst:
     
    Dies ist der Sicherheit des Kaisers geweiht. Ich, Lucius Maximius, Sohn des Lucius aus der
tribus
Voltinia, aus Wien, habe als neuer Rekrut vor der Zwanzigsten Legion Valeria Victrix im Namen der heiligen Siege des Augustus einen Schwur abgelegt. Jetzt nach 57 Dienstjahren und Aufstieg in den Rang des obersten Zenturionen in der Ersten Italischen Legion habe ich meinen Schwur erfüllt. Datiert im Jahr der Konsuln Marullus und Aelianus (184 n. Chr.). (
AE
1985, 735, Svischtov, Bulgarien)
     
    Der Kaiser war in zahlreichen quasi-religiösen Elementen des Lebens der Soldaten präsent. Die Untereinheiten der Armee erhielten kaiserliche Namen; eine Standarte in jedem Lager trug das Bild des Kaisers und hatte ihren besonderen »Träger«
(imaginifer);
sein Porträt schmückte Waffen und andere Ausrüstung, es war auf allen Münzen eingraviert; alle Belohnungen und Medaillen kamen von ihm (auf dem Weg über die lokalen Kommandanten). Der Kaiser war eine Quelle großzügiger Spenden, nicht nur des regulären Soldes, sondern auch gelegentlicher Schenkungen sowie Zuwendungen im Todesfall. Er spielte im Wechsel die Doppelrolle des
commiles
– des Waffenbruders – und des göttlichen Führers, eine Art Gott-mit-uns.
    Ebenso geordnet wie das Lagerleben waren auch die kultischen Rituale. Diese Ordnung war dem Zivilleben fremd, wo die Teilnahme an kultischen Aktivitäten ganz dem Einzelnen überlassen blieb. Aus der griechischen Stadt Dura Europos im heutigen Syrien ist ein reichsweit gültiger Opferkalender erhalten, der den Soldaten die alten Götter und das Kaiserhaus als Quellen des Seins einschärfen sollte. Hier sind Tag für Tag die zu verrichtenden religiösen Handlungen aufgeführt: die Ehrung bestimmter Götter, Bittgebete an den Kaiser, die Feier von Geburtstagen der kaiserlichen Familie samt Opfer, dankerfüllte Erinnerung an frühere Siege und die Feier der geheiligten Feldzeichen der Legion. Solche Zeremonien dienten nicht nur dem Zweck, die Armee auf den Kaiser und Rom einzuschwören; diese Paraden und Feste waren, unabhängig von der erklärten Absicht, als solche auch Ausdruck der Einheit – und Anlass zur Zerstreuung. Feiern boten auch Gelegenheit, die strikte Disziplin des Lagers außer Acht zu lassen. Sie konnten in exzessive Trinkereien ausarten und für einmal alle Regeln vergessen lassen. So gaben die Zeremonien dem einfachen Soldaten das Gefühl der Identität mit seiner Einheitund seinem Leben sowohl Abwechslung von der Alltagsroutine als auch Bedeutung.
    Wie die Heiratsregeln trug auch der religiöse Aspekt des Soldatenlebens dazu bei, eine neue Form der Treue zum Staat zu

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