Römer im Schatten der Geschichte
sexuellen Dienste aufregender, abenteuerlicher und vielfältiger waren als das, was man von einer Ehefrau und sogar von einer geheimen Geliebten erwartete. Eine Schilderung dieses Könnens findet man in
Leukippe und Kleitophon,
dem Roman des Achilles Tatius. Kleitophon bemerkt, dass er zuerst »mit solchen verkehrt habe, die sich zur Liebe feilbieten«, dann folgt eine plastische Schilderung dieser Erfahrung:
Auf dem Höhepunkt des Liebesgenusses gerät sie vor Wollust in die höchste Ekstase, sperrt küssend ihren Mund weit auf und gebärdet sich wie toll. Die Zungen vereinigen sich während dieser Augenblicke immer wieder miteinander und geben sich jede erdenkliche Mühe, auch ihrerseits zu küssen, … Wenn sich die Frau dem eigentlichen Gipfel des Liebesgenusses nähert, neigt sie dazu, vor brennender Wollust zu keuchen und zu stöhnen, und ihr Keuchen und Stöhnen, vereinigt mit dem Atemhauch der Liebe, springt bis zu den Lippen des Mundes empor und begegnet dort dem herumirrenden Kuß … (
Leukippe und Kleitophon
2,37,3 – 9)
In diesem Sinn kann ich weiterhin auf den potenziellen Vertragspartner der Kurtisane in Plautus’
Eselskomödie
(787 f.) verweisen: »Im Schlafgemach – … da wünsch ich sehr, dass sie sich rührt.«
Erotische Kunst aus Pompeji führt das Angebot einer Prostituierten anschaulich vor Augen. Zu sehen sind vornehmlich Formen des Geschlechtsverkehrs, die in der herrschenden Kultur als schändlich galten. Sowohl bei der Fellatio wie beim Cunnilingus – es gibt auch bemalte Lampen, auf denen beides in der 69er Stellung verbunden ist – ist der Mund einbezogen, und darum galten beide Sexualakte als hochgradig schmutzig und erniedrigend, wie den zahlreichen abwertenden Bemerkungen zu entnehmen ist, von denen die Literatur der Elite und die Graffititexte voll sind. Ein anderer Geschlechtsakt, der zur Schau gestellt wird, ist der Koitus
a tergo
. Aber gerade weil diese verführerischen Positionen »netten Mädchen« untersagt waren, wurden sie willigen Käufern wahrscheinlich gegen Geld angeboten. Ein einschränkender Hinweis ist allerdings angebracht. Szenen auf Fresken und Lampen, in denen »widernatürlicher Geschlechtsverkehr«, wie Artemidor es ausdrückt, das heißt Oralsex dargestellt ist, sind insgesamt selten. Viele dieser Szenen waren zumindest der Absicht nach vielleicht ebenso sehr zur Darstellung des weiblichen Körpers bestimmt wie zum Überblick über die möglichen Liebesakte mit Prostituierten.
Nach den Malereien zu urteilen waren Sexualakte, die auch für Frauen im Allgemeinen als zumutbar galten, so der Verkehr in der Reiterstellung, auch dann noch beliebt, wenn sie von Professionellen ausgeführt wurden. Was immer der römische Betrachter, Mann oder Frau, in diesen Illustrationen auch sonst noch sehen mochte, der Grundton der Erotik ist unverkennbar. Dass für den Ankleideraum einer Therme, in deren Obergeschoss offenbar auch Zimmer für sexuelle Vergnügungen zur Verfügung standen, unter allen möglichen Themen gerade erotische Szenen gewählt wurden, ist kein Zufall. Vielleicht konnte ein Betrachter angesichts der Akrobatenakte einiger der dargestellten Figuren ein Lachen nicht unterdrücken, doch blieben seine Gedanken letztlich wohl an den erotischen Möglichkeiten im oberen Stock haften, was zweifellos auch die Absicht war.
Wie gesagt, standen Freudenmädchen jedem zur Verfügung, der fähig und willens war zu bezahlen. Das Schamgefühl bei Inanspruchnahme ihrerDienste hielt sich in Grenzen. In den Worten Artemidors: »Der Verkehr mit Hetären in Bordellen bedeutet … einen kleinen Skandal und geringfügige Ausgaben …« (
Traumbuch
1,78). Eine der Figuren bei Plautus erklärt, eine Dirne aufzusuchen ziehe anders als der sozial und rechtlich riskante Ehebruch kein Stigma, geschweige denn negative rechtliche Auswirkungen nach sich:
Niemand hindert’s und verwehrt’s, / Dass du, was offen käuflich, wenn du Geld hast, kaufst. / Kein Mensch verwehrt’s, auf öffentlichem Weg zu gehn, / Wenn du nur durch umzäunten Grund den Weg nicht nimmst; / Wenn du dich nur von Ehefrau, Witwe, Jungfrau fern / Und frei von jungen Knaben hältst, lieb, was du willst. (
Curculio
–
Curculio der Nimmersatt
32 – 37)
Die Preise für einen bestimmten Sexualakt oder für besondere Wünsche waren sehr unterschiedlich. Der übliche Preis lag bei einem Vierteldenar oder etwas unter dem minimalen Tageslohn eines Arbeiters. Belege dafür sind Graffiti in Pompeji:
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