Römer im Schatten der Geschichte
freigelassene Sklavinnen, tragen die typischen Namen von Prostituierten. Thais und Lais sind die Namen berühmter griechischer Edelhuren, und sich mit ihnen zu schmücken bot sich den römischen Dirnen geradezu an. Es war durchaus üblich, dass eine Prostituierte sich einen passenden Namen zulegte. Ein Beispiel ist die Dirne aus dem 5. nachchristlichen Jahrhundert, die eine christliche Heilige wurde:
Mein Vater und meine Mutter gaben mir bei der Geburt den Namen Pelagia, aber die Bürger von Antiochia nennen mich Margarita (»Perle«), der Fülle von Perlen wegen, mit denen sie meine Sünden lohnten. (Jacobus,
Vita
7)
Als Pelagia zur Hure wurde, nahm sie also den Namen Margarita (»Perle«) an. Die Verbindung von Prostituierten mit Schankstuben oder Garküchen, zusammen mit der Benutzung des Tempelgeländes für die Kundenwerbung, zwingt fast zu der Annahme, dass das Straßenrestaurant bei einem Venustempel auch Sex anbot. Wie immer diese vier Frauen ihre Freilassung erreicht hatten – vielleicht indem sie sich mit erspartem Geld die Freiheit erkauften –, sie hatten genug Kapital, um eigene Wege einzuschlagen.
Bei ihrer Arbeit mussten die Prostituierten, wie angenommen wird, das »offizielle Gewand«, die Toga, tragen. Das jedenfalls haben Wissenschaftler den Bemerkungen von Autoren der Oberschicht entnommen (Horaz,
Satiren
1,2,63. 82 und Sulpicia [Tibull],
Elegien
3,16,3 f.). Außerdem führen sie Verweise an, die eher auf die Forderung zu beziehen sind, dass Frauen, die wegen Ehebruchs verurteilt wurden, die Toga zu tragen hätten, ein Ansinnen, dass offenkundig sehr bald fallengelassen wurde. Zwar steht fest, dass es Prostituierten nicht erlaubt war, das Kleidungsstück zu tragen, an dem man die respektable Weiblichkeit erkannte – die Stola; doch belegen andere Zeugnisse ebenfalls zweifelsfrei, dass ihre normale Gewandung kaum die Toga war. In den antiken Quellen – weder bei Plautus noch bei Apuleius oder Petron – ist keine Beschreibung einer Dirne in einer solchen Bekleidung zu finden. Es gibt außerdem keine einzige erotische oder sonstige Darstellung, sei es als Skulptur, Relief, Fresko oder Graffito, auf der eine Prostituierte in der Toga zu sehen wäre. Ob dieser angebliche Dresscode jemals breitere Geltung erlangte, oder ob es sich um eine Verwechslung mit der Palla handelt, einem mantelartigen Gewand, das alle Frauen, auch die Prostituierten, trugen, ist schwierig zu sagen. Ausführliche Beschreibungen von Prostituierten in der Literatur entsprechen eher den Erwartungen: aufgeputzt in bunter, durchscheinender Kleidung, mit Rouge und anderem Make-up, oder knapp bis gar nicht bekleidet in einem Bordell zur Schau gestellt. Die moralischen Ratschläge in einem Brief aus Ägypten sind typisch in ihrer Ermahnung an die Frau, das Gegenteil einer Dirne zu sein, »Gewänder aus Purpur- und Goldfäden gewoben« zu scheuen und sich zurückhaltend zu kleiden, um »für den eigenen Ehemann, nicht aber für ihren Nachbarn anmutig auszusehen«, und kein Rouge und Bleiweiß als Schminke zu benutzen (Rowlandson, Nr. 260). Auf erotischen Fresken werden die Frauen entweder nackt dargestellt,manchmal mit einem Brustband, oder in normaler, wenn auch mehr oder weniger vollständiger weiblicher Bekleidung. Leider ist nicht auszumachen, wer muntere Ehefrauen und Konkubinen und wer die eigentlichen Dirnen sind. Ein Wandgemälde in der Taverne des Salvius lässt sich mit einiger Sicherheit als Darstellung einer Prostituierten und ihres voraussichtlichen Kunden deuten. Die Frau trägt eine lange Robe in leuchtendem Gelb-Orange und kunstvolle Pantoffeln. Sie küsst einen Mann, der sagt: »Ich will nicht mit Myrtalis [bumsen]«; dabei ist vermutlich der Witz, dass er Myrtalis zugunsten der Schönheit, mit der er soeben zusammen ist, zurückweist. Auch ein Hinweis auf die Unterschiede in der Bekleidung ist zu erkennen, denn im nächsten Teil des Bildausschnitts erscheint eine Barkellnerin, die dasselbe Kleid trägt wie die Prostituierte, aber in Reinweiß; auch ihre Pantoffeln sind schmucklos. Kurz, die Prostituierten warben für ihre Produkte. Sex zu verkaufen hieß, etwas Verlockendes zu verkaufen. Diese Verlockung fand Ausdruck in der Kleidung, und für römische Beamte war es kaum von Interesse – und ohne jede Aussicht auf Erfolg –, ihnen vorzuschreiben, was sie tragen sollten, geschweige denn zu fordern, es müsse eine Toga sein.
Eine Prostituierte suchte man vor allem darum auf, weil die angebotenen
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