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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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Sexualität verbinden, sollte ein Kunde dies wünschen. Tatsächlich gibt es in den pompejanischen Vorstadtthermen, der am vollständigsten ausgegrabenen Badeanlage, über der Kleiderablage unzweideutige Freskomalereien,auf denen zunehmend gewagte (oder scherzhaft gemeinte) sexuelle Positionen abgebildet sind (Taf. 8). Über dem Bad gab es auch Räume für Prostituierte und sogar einen separaten Eingang von der Straße her, falls es einem Kunden nicht ums Baden ging, sondern nur um die Befriedigung sexueller Wünsche. Ein Graffito an der Außenwand erklärt:
     
    Wenn jemand hier sitzt, soll er das vor allem lesen; und wenn jemand ficken will, soll er Attica suchen: für 16 Asse. (
CIL
IV 1751 / Hunink, Nr. 987)
     
    An all diesen Orten – Freudenhäuser, Wohnungen, Kneipen, Bäder – waren die Kunden gewöhnliche Männer neben Angehörigen der Oberschicht, die gelegentlich in die Slums abtauchten. Prostitution wurde oft durch eine angezündete Lampe in einer Hausnische signalisiert; doch waren auch andere Geschäftsfassaden mit Lampen geschmückt. Die Etablissements waren kreuz und quer über die Stadt verteilt, und die Prostituierten konnten zudem außer Haus bei Abendgesellschaften oder lokalen Festen als Serviererinnen einspringen.
    Prostituierte arbeiteten nicht nur an einschlägigen Orten, sondern auch auf der Straße. Domitian hatte verkündet, dass es Dirnen verboten sei, Sänften zu benutzen. Man könnte vermuten, dass damit der mobile Kundenservice verhindert und den Prostituierten gleichzeitig ein Kennzeichen der Elite sowie der Schutz geschlossener Vorhänge vor unzüchtigen Bemerkungen ihrer Mitbürger verweigert werden sollte. Doch auch ohne geschlossene Sänften war an geeigneten Möglichkeiten kein Mangel. T. Quinctilius Atta, ein römischer Autor des 1. vorchristlichen Jahrhunderts, von dem nur ein einziges literarisches Fragment überliefert ist, beschrieb in seinen
Aquae Calidae
kecke Prostituierte: »Sie hurten durch die Straßen wie Wölfe, die nach Beute Ausschau halten.« Sie konnten in jedem beliebigen Viertel herumstreifen, aber ihr Standort richtete sich nach dem zu erwartenden Verkehr in den Straßen und trug den Dirnen manchmal einen Spitznamen ein. So schreibt Festus:
     
    Alicaria
ist ein Wort für Prostituierte in Campanien, weil sie ihr Geld gewöhnlich verdienten, indem sie sich um die Mühlen herumtrieben, die Getreide
(alica)
mahlten, so wie die, die sich vor den Ställen aufstellten, die »Vor-den-Ställen«
(prostibula)
genannt wurden. (Festus 7L)
     
    Prostituierte konnten in öffentlichen Bereichen arbeiten, die mehr oder weniger verdeckte Stellen für diskreten Sex anboten. Auf Märkten und Plätzen mit öffentlichen Gebäuden waren Scharen von potenziellen Kunden zu erwarten. Im Notfall konnten auch Grabstätten außerhalb der Stadt für das Geschäft benutzt werden. Beliebte »Arbeitsplätze« waren die Bögen
(fornices)
großer öffentlicher Gebäude wie Theater und Amphitheater – Bögen, von denen sich das englische Wort
fornication
für den außerehelichen Geschlechtsverkehr ableitet. Wie in den Bädern provozierten die aufreizenden Aktivitäten an diesen Orten – im Theater die oft schlüpfrigen Aufführungen, in der Arena die Ekstase und Blutgier der Gladiatorenkämpfe – eine sexuelle Erregung, die von den Prostituierten zu ihrem Vorteil genutzt werden konnte. Etwas mehr Intimität als der lokale Gewölbebogen, aber ein sehr ähnliches Flair prägte die zur Straße offenen Ein-Zimmer-Kabüffchen der Dirnen mit dem gemauerten Bett.
    Mit dem Theater war das Sexgewerbe direkt wie indirekt verbunden. Vor und nach einer Aufführung wimmelte es im Umkreis der Theater von Menschen, ein ergiebiges Kundenreservoir für die Prostituierten. Mehr noch kam ihnen zugute, dass einige Theaterproduktionen nicht weniger provozierend wirkten als irgendein Fresko im Bordell: die Possenspiele, die ein Publikumsliebling waren. Ihre Darsteller standen in schlechtem Ruf, und anders als in anderen Schauspielgattungen waren Frauen auf der Bühne zugelassen. Mochten die Schauspieler selbst auch nicht unmittelbar in die Prostitution verwickelt sein, so waren die Handlungen der Figuren doch geeignet, zu sexuellen Phantasien anzuregen, wie sie die Aufführung einer griechischen Tragödie oder eines römischen Historiendramas wohl kaum hervorriefen. Die Possenspieler verbanden Gestik und Akrobatik, eine Art schlüpfriges Ballett, mit Wort und Gesang und erzählten derbe Geschichten aus dem

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