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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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Anthologie
7,403)
     
    Nicht nur die Prostituierten, sondern jede Frau, die sich in der Öffentlichkeit bewegte, musste damit rechnen, dass vorübergehende Männer ungeniert unzüchtige Bemerkungen machen und sich ihnen ungestraft nähern durften. Eine verheiratete Frau aus wohlhabender Familie trug dezente Kleidung und deutete damit ihre Stellung an. Ein Mädchen aus solchen Kreisen kleidete sich, um seinen Rang sichtbar zu machen, und war von einer Sklavin oder älteren Frau begleitet, die den Auftrag hatte, spähende Blicke und unpassende Bemerkungen fernzuhalten. Mädchen und junge Frauen der Mittel- und Unterschicht aber mussten Geschäfte, die sie auf die Gassen führten, ohne solche Beaufsichtigung erledigen – sie zeigten sich nicht in der Öffentlichkeit, um Eindruck zu machen oder an die frische Luft zu gehen, sondern um bestimmte Pflichten zu erledigen, und ihre Mittel ließen den Luxus vornehmer Kleidung und privater Hüterinnen nicht zu. Die bloße Tatsache, dass Prostituierte schutzlos waren, kennzeichnete sie in den Augen der Männer als rechtmäßige Beute, sei es zwecks direkter Annäherung oder auch nur als Zielscheibe für Bemerkungen. Kurz gesagt, jedes Mädchen und jede Frau, die sich wie die Sklavinnen einfach kleidete, war Freiwild. Dies umso mehr, wenn sie mit ihrer Kleidung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Ulpian lässt in den
Digesten
keinen Zweifel:
     
    Wer mit Kleidern von Sclavinnen angethane Personen J u n g f r a u e n genannt hat, der vergeht sich nicht, um so weniger wenn Weiber mit Hurenkleidern angethan sind, und nicht mit denen der Matronen. (
Digesten
47,10,15,15)
     
    Beleidigungen vonseiten eines Mannes oder unwillkommene Avancen wurden also von der Obrigkeit geduldet. Prostituierte hatten sich selbst zu schützen. Das konnte schwierig sein, wenn Rüpel sich zum Angriff entschlossen. Gaius Plancius, ein Freund Ciceros, war als junger Mann in die Gruppenvergewaltigung einer Mimenschauspielerin verwickelt:
     
    … eine Schauspielerin sei entführt worden, was, wie man sagt, die Jugend von Atina nach althergebrachtem, zumal in den Landstädten verbreitetem Brauch getan hat. (
Für Plancius
30)
     
    Nicht besser dürfte es den Prostituierten ergangen sein, wenn Rowdys oder zügellose Jugendliche und Männer über sie herfielen.
    Wie erwähnt, gaben im Alltag der meisten Prostituierten, wenn sie einmal im Gewerbe gelandet waren, die Zuhälter den Ton an. Den zahllosen Gelegenheiten zu Ausbeutung und physischem Missbrauch waren sie mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Eine Dirne war – auch als Freigeborene – in vieler Hinsicht nicht besser gestellt als eine Sklavin. Das bedeutete mit Sicherheit oft ein elendes, bedrückendes Leben, aus dem es faktisch kein Entrinnen gab. Zum physischen Missbrauch kam der soziale. Es mag übertrieben sein, von der Schande als dem »Scharlachroten Buchstaben« 2 zu sprechen, den die Prostituierten trugen, doch war der käufliche Sex zweifellos mit einer gewissen Stigmatisierung verbunden. Ein Graffito in Pompeji lautet:
     
    Sie, an die ich schrieb und die es einmal las, ist mit Recht mein Mädchen, sie, die ihren Preis nannte, gehört nicht mir, sondern dem Volk. (
CIL
IV 1860/Hunink, Nr. 732)
     
    Da Prostituierte
probrosae
waren, konnten sie nach den Heiratsgesetzen des Augustus keinen freigeborenen römischen Bürger heiraten. Auch galt für sie die
infamia
, das heißt, sie waren teilweise rechtsunfähig – konnten kein Testament aufsetzen und keine volle Erbschaft antreten. Doch war die Prostitution kein irreversibler Zustand. Die Frauen konnten die Tätigkeitaufgeben, heiraten und fortan in Glück und Frieden leben bis an ihr Ende. Andererseits war die moralische Ächtung nicht stark genug, um viele Frauen vom Verbleib in ihrem Beruf abzuhalten, was angesichts der unattraktiven Alternativen wenig verwunderlich ist.
    Praktische Erwägungen hatten für die Prostituierten mit Sicherheit mehr Gewicht als die mutmaßliche »Schande«. Schwangerschaften zum Beispiel kamen sehr ungelegen, wie Myrtion in Lukians
Hetärengesprächen
ihren Liebhaber unverblümt wissen lässt: »Das ist also alles, was ich von deiner Liebe habe, daß ich einen großen Bauch vor mir hertragen muß und nächstens ein Kind zu stillen habe, was für ein Mädchen meines Standes so äußerst lästig ist!« (Bd. 3, S. 138). Eine beliebte Verhütungsmethode waren Zaubersprüche wie diese Anweisung für einen magischen Bann: »Nimm eine durchbohrte Bohne und

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