Römer im Schatten der Geschichte
1398)
Der Nimbus von Heldentum und Gewalt, den die Gladiatoren zelebrierten, machte nach seinem Tod nicht nur die Essenz seines Lebens, »den ganz besondren Saft«, begehrt. Als weitere Kuriosität ist festzuhalten, dass einige sich nicht mit dem Blut des Gladiators begnügten, sondern auch seine Leber herausschnitten. Der römische Arzt und Pharmakologe Scribonius Largus berichtete: »Einige Leute nehmen die neunfache Dosierung einer kleinen Menge Leber, die aus einem gefallenen Gladiator herausgeschnitten wurde« (
Compositiones
17). Da Largus die Leber eines Hirschs, der mit einer Waffe getötet worden war, die zuvor zum Tod eines Gladiators geführt hatte, bereits früher als Mittel gegen die Epilepsie empfohlen hatte, darf man wohl annahmen, dass auch die dem Gladiator entnommene Leberdosis gegen die Epilepsie zu verwenden war.
Fazit
Die Gladiatorenkämpfe repräsentieren nur einen Typus der Schauspiele, die von normalen Römern geschätzt wurden. Auch Bühnenstücke, Wagenrennen oder Leichtathletikwettkämpfe waren Teil ihres Lebens. Aber die Verbindung von sagenhafter Popularität, blutiger Gefahr und relativ umfangreichen Lebenszeugnissen macht diese Idole der Arena besonders interessant. Die freien, freiwilligen Kämpfer führten ein äußerst gefährliches Leben, doch die Gefahr war Teil des Reizes wie der Ruhm und, vielleicht, das Spiel des Zufalls. Als Sklave blieb dem Gladiator natürlichkaum eine Wahl, aber selbst hier konnte die Aussicht auf Freiheit als Ansporn wirken. Umgeben von Ungewissheiten und Risiken meisterten Männer (und einige Frauen) ein Leben mit Freunden und Familie, noch während sie sich auf Zweikämpfe im Sand vorbereiteten. Nicht anders als die übrigen Angehörigen der Mittel- und Unterschicht taten sie auf ihre Weise das Beste, um in einer Welt, die ihnen wenig Chancen bot, dennoch zu Erfolg zu kommen.
JENSEITS DES GESETZES:
BANDITEN UND PIRATEN
D en Gesetzlosen kennzeichnet, dass er in Kontakt mit einer Gesellschaft lebt, die Gesetze dieser Gesellschaft aber nicht befolgt. Es liegt in der Natur stratifizierter Gesellschaften, dass Gesetzlose möglich sind. Stratifizierte Gesellschaften erzeugen ein Wert-, Macht- und Wohlstandsgefälle, das institutionalisiert und kulturell umgesetzt wird. Damit entsteht das Umfeld, in dem Gesetzlose auftreten. Einfach gesagt, ohne Gesetze keine Gesetzlosen, und hierarchisch gegliederte Gesellschaften benutzen in der Regel Gesetze, um ihre Struktur zu sichern. Ihre Basis – die Ausbeutung der einen zum Wohle anderer – kann dazu veranlassen, sich den Gesetzen zu entziehen. Eine Möglichkeit dazu ist der Schritt in die Gesetzlosigkeit.
Mit der einfachen Definition des Gesetzlosen – jemand, der zugleich im Geltungsbereich und jenseits des Gesetzes lebt – lässt man automatisch zwei in der römisch-griechischen Welt sehr präsente Typen des Gesetzlosen außer Betracht: zum einen die tribalen Gruppen der Gesetzlosen, von Zeitgenossen allgemein als »Banditen« oder »Piraten« bezeichnet, zum andern die gewöhnlichen Kleinkriminellen. Der Bandit oder Pirat vertritt einen Typus des Gesetzlosen, der nicht innerhalb der Sphäre der römischen Gesellschaft agiert; genauer gesagt, lebt er nicht »ohne Gesetz«, sondern »nach anderem Gesetz«, nicht »ungesetzlich«, sondern »eigengesetzlich«, denn er vertritt Sondergemeinschaften mit eigenen Gesetzen, die ihrerseits hierarchisch organisiert sind – nur sind ihre Gesetze nicht die der Mehrheitsgesellschaft. Zu dieser Kategorie zählen Gesetzlose wie die Banditen im Tal des Flusses Calycadnus in West-Kilikien, die Maratocupreni in Syrien und sehr viel später die marodierenden Sachsen der Spätantike. Es handelt sich bei ihnen um Räubergesellschaften,die wie entsprechende Gruppen in anderen Epochen der Antike, die kilikischen Piraten oder auch die homerischen Häuptlinge sowie in späterer Zeit die Wikinger, jeden ausplündern, dem man etwas nehmen kann. Der Geograph Strabon hat uns eine großartige Schilderung einer solchen Räubergesellschaft hinterlassen:
Nach dem Sindischen und Gorgippia kommt am Meer die Küste der Achaier, Zyger und Heniocher; sie ist größtenteils hafenlos und gebirgig (sie bildet ja einen Teil des Kaukasus). Sie leben von der Seeräuberei, wofür sie dünnwandige, schmale und leichte Boote haben, die etwa fünfundzwanzig Menschen fassen, selten ganze dreißig aufnehmen können; die Griechen nennen sie
kamarai
. … Aus den
kamarai
indessen bilden sie
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