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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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Gemeinschaft zu bringen.
    Die Ähnlichkeit zwischen Redikers frühmodernen Piraten und den Banditen der antiken Romanautoren ist frappant. Neben der egalitären Gesinnung hatten die Gruppen viele Institutionen und Gewohnheiten gemeinsam, so den Rat zur Beschlussfassung und den im Kollektiv abgesprochenen Verhaltenskodex. Eine vollständige Übereinstimmung besteht natürlich nicht. So haben Redikers Freibeuter keinerlei Beziehung zu irgendeiner Religion, während Apuleius’ Banditen ebenso wie die Xenophonsin den
Ephesiaca
(S. 125 [2,11 – 14]) ihren Schutzgott Mars bzw. Ares verehren. Bei Plutarch ist allerdings irreligiöses und ungewöhnliches religiöses Verhalten erwähnt: »Selbst viele heilige Stätten … wurden von ihnen überfallen und zerstört …Sie feierten auch in Olympus fremde und ungewöhnliche Feste und hielten geheime Mysterien« (
Pompejus
24). Auf einer Inschrift sind die Folgen eines solchen Überfalls festgehalten:
     
    Diese Statue der Venus ist Valerius Romanus, dem Hochverdienten, geweiht, Wächter und Aufseher in der prächtigen Kolonie Sicca Veneria, ein Mann wundersamer Güte und Rechtschaffenheit, denn er erneuerte das Standbild der Göttin, das vor langer Zeit durch Banditen beschädigt wurde, die in den Tempel eingebrochen waren. Möge das Gedenken an unseren unbeirrbaren Patron die Jahrhunderte überdauern! (
CIL
XIII 3689 =
ILS
5505)
     
    Kannibalismus und die blutigen Rituale, die bei Heliodor und Achilles Tatius belegt sind, stehen in einem weiteren literarischen Beispiel für eine totale Absage an das »Schickliche« in der üblichen Religion und entsprechen damit der Absage an diese Religion von Redikers Korsaren, die sich allerdings nicht so ruchlosem Tun hingeben. In der alten Welt andererseits fehlte mit den staatskirchlichen Institutionen, die den Status quo untermauern, auch der Impuls, dagegen zu revoltieren, den Redikers Freibeuter ausleben; allerdings konnte, wenn man sich von anderen Aspekten der rechtlich verfassten Gesellschaft abwandte, auch ihre Preisgabe als dezidierte Bekundung eigener Unabhängigkeit gelten. Auch ohne den grellen Details der Romanautoren Glauben zu schenken, kann man als allgemeinen Hintergrund anerkennen, dass die Banditen nicht nur den Rechtsnormen der Gesellschaft, sondern auch den von ihr geübten religiösen Bräuchen feindlich gesinnt waren.
    Die den Piraten Redikers und den Banditen des Altertums gemeinsamen Merkmale und Gewohnheiten, die uns in Geschichtsschreibung und Literatur begegnen, sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass unsere Darstellung der römisch-griechischen Banditen der Realität entspricht – einer Realität, auf die uns die Quellen keinen unmittelbaren Blick erlauben, die sich aber durch sorgfältigen Gebrauch dieser Quellen, antiker wie moderner, wiedergewinnen lässt.
    Fazit
    Das Banditentum war ein möglicher, vielleicht der einzige Weg, sich schnell und wirkungsvoll gegen das Gesetz und seine Vollstrecker zu behaupten. So betrachtet, führten die Gesetzlosen innerhalb der stark hierarchisch gegliederten Gesellschaft der römisch-griechischen Welt der Antike ein wirklich alternatives Leben. Wie Redikers historische Piraten leben auch die erdichteten Banditen des Apuleius und der griechischen Romane in einer Welt von grausamer Härte, kultivieren aber zugleich eine Art von Egalitarismus und Demokratie, die zur hierarchischen Struktur des herrschenden Sozialsystems in äußerstem Kontrast steht. Ihre Gemeinschaften bilden eine – vielleicht die einzige – alternative Sozialstruktur in ihrer jeweiligen Welt und damit eine nachdrückliche, radikale Kritik an dieser Welt. Die negative Deutung dieser gelebten Kritik durch die Eliten, die der Selbstrechtfertigung und dem Selbstschutz diente, könnte zu dem Gedanken verleiten, bei dem von den Banditen angestrebten Gemeinschaftsethos jenseits von Recht und Gesetz handle es sich um eine Illusion; doch die Zeugnisse der Antike und Redikers Piraten setzen ein unmissverständliches Zeichen: Für die Armen, die Unterdrückten und die Banditen selbst war es Realität.

AUSKLANG
    R ömer im Schatten der Geschichte«: Das Bild vom Leben im Schatten bietet sich zur Beschreibung der Menschen an, von denen dieses Buch handelt. Doch im Schatten verbrachten diese Menschen ihr Dasein natürlich keineswegs – sie bildeten fast die gesamte Bevölkerung der römisch-griechischen Welt und waren füreinander in aller Klarheit sichtbar. Es ist die Blindheit der Elite für diese Mehrheit,

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