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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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als Institution und der Glaube, dass nicht nur sie selbst ihr möglicherweise einmal entkommen würden, sondern das ganze System zerstört werden konnte und sollte, fehlte den Sklaven der hier untersuchten Epoche vollkommen. Der radikalste Gedanke, sich aus der Sklaverei zu befreien, schloss nie das Ziel ein, ihr für immer ein Ende zu machen. Diese Einstellung setzte allem Denken seine Grenzen. Wenn die Sklaven über ihre Situation und die Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung nachdachten, waren ihre Überlegungen ausschließlich praktischer Art.
    Das Gefühl der Ungewissheit ihres Daseins verließ sie nie. Diese Grundbedingung ihrer Existenz ergab sich mit dem Bewusstsein, ein Besitzstück zu sein. Nichts war je sicher. Man konnte alles tun, was der Herr wünschte, und gute Arbeit leisten und wurde doch verkauft, oderman konnte von Vertrauten getrennt werden oder erkranken und ausgesetzt werden oder altern und vernachlässigt dahinvegetieren oder Schlimmeres. Einigen Trost und Halt fand man in schlichten Lebensweisheiten, populärer Philosophie und anderen Versuchen, die
conditio humana
mit der Realität des Sklavendaseins in Einklang zu bringen. Stöhnen, Murren und Unzufriedenheit boten schwachen Trost. Als einzige geistige Waffe gegen die Angst vor der inhärent unsicheren und belastenden Situation blieb letzten Endes wohl meist nichts anderes, als die Ungerechtigkeit des Lebens anzuerkennen und sich in das Los zu ergeben, das die Parzen verhängt hatten. Der Wächter in Plautus’
Gefangenen
(196 f.) wusste wenn auch herben Rat: »Wenn dies die ew’gen Götter wollten, dass ihr durchmacht dieses Leid, / So müsst ihr es mit Fassung dulden: dann wird leichter sein die Not.«
    Die Gemeinschaft der Sklaven
    Das Denken der Sklaven kreiste auch um Möglichkeiten, die Belastung zu mindern und ein gewisses Maß an Normalität in ihr Leben zu bringen. Der Ausgangspunkt für einen solchen Prozess lag in der Sklavengemeinschaft selbst. Obwohl der Herr Arbeit und Gehorsam verlangte, war allen auch bewusst, dass Sklaven als menschliche Wesen miteinander in Verbindung standen. Ein Herr konnte »schwierige« Sklaven isolieren, und unter besonders gefährlichen Bedingungen wie im Bergbau wurden die Kommunikationsmöglichkeiten streng begrenzt. In normalen Verhältnissen aber, sei es in einem großen Haus, einem kleineren Wohnsitz oder in ländlicher Umgebung, gingen die Sklaven Bindungen und Wechselbeziehungen ein, die ihrem Leben trotz der Unsicherheit und Brutalität der Verhältnisse Sinn verliehen. Solidarität und Freundschaft unter Sklaven ist vielfach bezeugt. Im Folgenden ruft sich ein Ex-Sklave eine lebenslange Freundschaft in Erinnerung, die bis in Zeiten der gemeinsamen Versklavung zurückreicht:
     
    Aulus Memmius Urbanus errichtete dies für Aulus Memmius Clarus, den Mitfreigelassenen und teuersten Gefährten. Ich weiss, mein hochgeschätzter Mitfreigelassener, dass es zwischen dir und mir noch nie einen Streit gegebenhat. Mit dieser Inschrift rufe ich auch die Götter über uns und unter uns zu Zeugen an, dass du und ich, die zur selben Zeit im selben Haushalt als Sklaven gekauft wurden, auch zusammen freigelassen wurden. Kein Tag hat uns je getrennt außer dem deines schicksalsschweren Todes. (
CIL
VI 22 355a =
ILS
8432, Rom)
     
    Der Fall des Jucundus im Haushalt des Taurus ist ein weiteres Beispiel:
     
    Jucundus, Sklave des Taurus, ein Abfallträger, war solange er lebte ein wirklicher Mann. Sein Leben lang hat er auf sich selbst und auf die anderen achtgehabt. Callista und Philologus, Mitsklaven, errichteten dies. (
CIL
VI 6308 =
ILS
7408 d, Rom)
     
    Der Gebrauch des Wortes
vir
für den »richtigen Mann« bedeutet, dass dieser Sklave und andere seiner Art sich selbst und anderen die Eigenschaft zuschreiben konnten, die in der Kultur allgemein hoch gepriesen wurde – Männlichkeit. Und Jucundus’ Gewohnheit, sich um seine Mitsklaven zu kümmern, ist Ausdruck der Solidarität innerhalb der Sklavengemeinschaft, die oft zu beobachten ist, aber auch, wie im Weiteren gezeigt wird, oft erschüttert wurde. Ein Beispiel für diese Solidarität ist die Ermordung des römischen Senators Pedanius Secundus durch seine Sklaven, von denen trotz grausamster Strafmaßnahmen nicht ein Einziger versuchte, den Mord zu verhindern oder den Täter zu entlarven (Tacitus,
Annalen
14,43). Im
Leben Äsops
dagegen setzen sich die Mitsklaven als Gruppe von dem Außenseiter Äsop ab und versuchen ihn überdies dazu zu bringen, dass

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