Römer im Schatten der Geschichte
J.,
Briefe
3,14). Die Mehrzahl aber ging mit den Sklaven in beruflichen und religiösen Vereinigungen wie mit Gleichgestellten um. Zweck dieser Vereine waren vorgeblich die Beisetzungen, tatsächlich aber geselliges Leben. In Praeneste existierte ein gemischter Verein von Walkern, und neben mehreren Sklaven ist ein Freigelassener aufgeführt; in Ostia errichtete ein Verein von Freigelassenen und Sklaven der Stadt ein Mal zu Ehren der Göttin Bellona; in Lanuvium nahmen sie mit Freien am Kult des Antinous und der Diana teil, allerdings war die Erlaubnis der Herren nötig. Die Sklaven sahen sich vor der Aufgabe, mit einer Welt fertig zu werden, in der sie zeitweise zusammen mit Freien und auch selbst fast als Freie lebten und wirkten; doch vergaßen sie nie, dass im Streit mit den Behörden ihre grundsätzlich andere Behandlung im Zivilwie im Strafrecht zutage treten würde, vor allem hinsichtlich des schnellen Griffs zum Mittel der körperlichen Bestrafung eines Sklaven, auch wenn die Anklage nur auf Vermüllung lautete:
Marcus Alfius Paulus, Stadtrat, befiehlt: Wer immer an diesem Ort Exkremente fortwerfen will, sei gewarnt, dass dies nicht erlaubt ist! Wer gegen diese Bekanntmachung verstößt, dem soll, wenn es ein Freier ist, eine Buße auferlegt werden, wenn er Sklave ist, zur Warnung der Hintern gepeitscht werden! (
AE
1962, 234, Herkulaneum)
Sklaven und ihre Herren
Im Mittelpunkt seines Lebens unter den Mitsklaven und der freien Bevölkerung standen für den Sklaven vier Fragen. Sie gehen aus dem Orakelbuch
Sortes Astrampsychi
hervor und sind besonders geeignet, dem Denken der Sklaven näherzukommen: »Werde ich zu einer Einigung mit meinen Herren kommen?« (Frage 46), »Werde ich (als Sklave) verkauft werden?« (Frage 74) und »Werde ich aus der Sklaverei freikommen?« (Frage 32). Die vierte Frage wird nicht vom Sklaven, sondern vom Herrn gestellt, betrifft ihn aber indirekt: »Werde ich den Entlaufenen finden?« (Frage 36). Den Sklaven beschäftigten also die Beziehung zum Herrn, ein mögliches Verkauftwerden und die Freilassung, während das Augenmerk des Herrn auf den Ausreißer gerichtet ist, ein Hinweis darauf, dass Sklaven oft mit dem Gedanken spielten, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Ähnliche Überlegungen lassen sich auch verschiedenen Traumdeutungen bei Artemidor entnehmen. Am häufigsten erwähnt sind die Freilassung, unterschiedliche Beziehungen zu einem Herrn (gut, schlecht, wechselnd) sowie die Flucht. Das Verkauftwerden scheint nur einmal Thema zu sein. Verbindet man diese Fragen mit den Mustern des Sozialverhaltens, die auf Grabsteinen erwähnt sind, ergibt sich der Eindruck, dass die Gedanken der Sklaven begreiflicherweise um das momentane Überleben kreisten, während Furcht abwechselnd mit Hoffnung den Blick in die Zukunft bestimmte. Dagegen fehlen weitgehend Hinweise auf eine Beschäftigung mit dem Zustand der Versklavung selbst, dem Zustand ihres Inneren, wie man sie bei Menschen in ihrer Situation voraussetzen würde. Auch ist wenig Protest gegen die Ungerechtigkeit dieser Sklaverei zu spüren, nur die Wahrnehmung der persönlichen Situation, in der man sich befand. Der römische Epitaph eines Sklaven allerdings spricht für sich:
Hier liege ich, Lemisio. Nichts als der Tod hat meine Plage beendet. (
CIL
VI 6049 =
ILLRP
932, Rom)
Erfreulich ist immerhin die Erkenntnis, dass die Sklaven mit eigener Stimme eine zumindest allgemeine Vorstellung dessen vermitteln, was sie vorrangig beschäftigte. Dabei entsteht das Bild eines aktiven Lebens von Sklaven, die sich Aktionsraum verschafften und, wenn möglich, für ihre Freiheit arbeiteten.
Wichtig war zu bedenken, wie sich die Beziehungen zum Herrn gestalteten. Im
Leben Äsops
wird der Konflikt zwischen Sklave und Herr als entscheidendes Problem behandelt und gezeigt, wie der Sklave es erfolgreich bewältigen konnte. Einige Herren gingen mit ihren Sklaven pfleglicher um als andere; einige Sklaven waren in ihrer Anpassung an die Situation der Versklavung dynamischer als andere: Die Verhältnisse waren von schillernder Vielfalt, doch jeder Sklave musste für seine besondere Situation besondere Verhaltensformen entwickeln.
Zunächst einmal gab es unterschiedliche Möglichkeiten, sich den je gegebenen Umständen anzupassen. Am einfachsten war es, das Schicksal der Versklavung hinzunehmen und das Beste daraus zu machen. »In schlimmer Lage Fassung zu bewahren hilft« (Plautus,
Die Gefangenen
202). Das rät der Wächter den
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