Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
Vom Netzwerk:
von ihrem leiblichen Eigentum eine schlechte Meinung hatte, fühlte sich nicht nur bemüßigt, Gewalt gegen ihre Sklaven zu verüben, sondern auch, sie ihren Aufsehern nachzusehen – und alles im Namen des Gehorsams. Theoretisch konnte ein Sklave in einem Tempel oder bei einer Götterstatue Zuflucht suchen und damit das antike Asylrecht als Schutz vor einem gewalttätigen Herrn in Anspruch nehmen. Davon machten Sklaven auch Gebrauch, wie einige Anekdoten zeigen. Die Frage ist allerdings, wie oft dieser verzweifelte Schritt zu andauerndem Erfolg führte. Gewiss, die Sklaven konnten sich auf verschiedene gesetzliche Verfügungen berufen, die der fast unbeschränktenWillkür ihrer Herren Grenzen setzten. In der hier dargestellten Epoche wurden Gesetze und Erlasse verabschiedet, die Besitzer daran hindern sollten, ihre Sklaven wilden Tieren vorzuwerfen, ausgesetzte kranke Sklaven, falls sie gesundeten, zurückzuholen, einen Sklaven ungestraft zu töten und Sklaven zu kastrieren. Es liegen Rechtsdokumente über Sklaven vor, die wegen solcher Fälle vor Gericht gingen, doch dürfte es selten gewesen sein, dass ein Sklave mit einer Klage gegen seinen Herrn erfolgreich war – immer durch die Person eines Vertreters natürlich, denn er selbst galt vor Gericht nicht als Person. Die einzigen Klagen, die relativ verbreitet und manchmal erfolgreich waren, bezogen sich nicht auf die Sklaverei, sondern auf die Freiheit: Prozesse, die entscheiden sollten, ob eine Person frei geboren und illegal versklavt war. Es ging in diesen Fällen also nicht um die Behandlung eines Sklaven, sondern um Personen, die als Sklaven behandelt wurden, eigenem Bekunden nach aber frei waren. Die Gesellschaft im Allgemeinen hatte gewisse Sympathien für Menschen, die behaupteten, Freie zu sein, jedoch versklavt waren. Ein solcher Fall unterschied sich sehr von dem eines Sklaven, der behauptete, als Sklave Gewalt zu erleiden, und wurde entsprechend behandelt. Jedenfalls aber führte ein Versuch vor Gericht, der mit einem Scheitern endete, höchstwahrscheinlich auch zu einer abschreckenden Bestrafung des Sklaven, der diesen Versuch unternommen hatte. Die Gesetze boten also einem Sklaven so gut wie keine Hilfe. Vielmehr war das Gesetz ein wichtiges Kontrollinstrument in der Hand der Herren. Die Furcht vor grauenhaften Todesstrafen, wie sie durch behördliche Urteile routinemäßig über »kriminelle« Sklaven verhängt wurden – Kreuzigung, Verbrennung bei lebendigem Leibe, Tod durch wilde Tiere in der Arena –, hatte ihren Grund. Nur ein Sklave mit großem Selbstvertrauen und besten Beziehungen hätte den Versuch gewagt, vor Gericht zu gehen. Für fast alle barg das Rechtssystem nur Schrecken, keine Hoffnung.
    Das Ich eines Sklaven war eine Verbindung dessen, was aus ihm gemacht wurde, mit dem, und was er selbst ausprägen konnte. Höchsten Symbolwert als Akt der Prägung des Ich hat die Benennung des Sklaven durch den Herrn. Durch die Namengebung erhält der Sklave eine neue Identität als Eigentum des Herrn. Sie stellt den Versuch dar, das frühere Selbst dieses Menschen auszulöschen und zu zeigen, dass das Ich derKontrolle des neuen Herrn untersteht. Doch für das neue Sklaven-Ich war nicht einfach alles vergessen, was zuvor geschehen war. Ein Mensch, der als Erwachsener in die Sklaverei gezwungen wurde, hatte lebhafte und bleibende Erinnerungen. Ein Epitaph hält dieses wechselhafte Dasein im Fall eines Parthers fest, der in jungen Jahren gefangen genommen und in die Sklaverei verkauft wurde; er kam schließlich nach Ravenna, wo er freigelassen wurde und diesem Ereignis ein steinernes Zeichen setzte:
     
    Gaius Julius Mygdonius, der Abstammung nach Parther, freigeboren, gefangengenommen in jugendlichem Alter, auf römischen Boden verpflanzt. Ich habe, dann zum römischen Bürger gemacht, auf Geheiß des Schicksals, 50 Jahre alt, mir den Sarg besorgt. (
CIL
XI 137 =
ILS
1980/Geist, Grabinschriften, Nr. 326)
     
    Claudia Aster, auch sie eine versklavte Gefangene, verschlug es nach Puteoli (Pozzuoli) in der Bucht von Neapel, wo sie freigelassen wurde. Sie erinnerte sich an ihre Gefangennahme in Jerusalem am Ende des jüdischen Aufstands im Jahr 70 n. Chr. (
CIL
X 1971).
    Ein dritter, ein gewisser Arrius Capito, als Sklave Finanzverwalter und bei seiner Freilassung Geldverleiher, gedachte seiner Anfänge in Pannonien jenseits der Donau:
     
    Capito, der Freigelassene des Arrius, ein Geldverleiher des pannonischen Volkes, liegt hier nach 35

Weitere Kostenlose Bücher