Römer im Schatten der Geschichte
Im Idealfall sollte der Sklave bedingungslos gehorchen und alle seine Fähigkeiten einsetzen, um auszuführen, was der Herr befahl. Man fragt sich zwar, ob Schläge und psychische Quälerei das geeignete Mittel waren, willige, umsichtige Sklaven zu schaffen, doch dieser Widerspruch fand bei den Herren in der Regel keine Beachtung. Die Sklaven hatten die Bürde willigen Gehorsams zu schultern, wie Paulus es den Christen in Kolossos ans Herz legte:
Ihr Knechte, seid gehorsam in allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfalt des Herzens und mit Gottesfurcht. Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, und wisset, dass ihr von dem Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes … Ihr Herrn, was recht und billig ist, das beweiset den Knechten, und wisset, dass ihr auch einen Herrn im Himmel habt. (Kolosser 3,22 – 4,1)
Der unbekannte Autor des ersten Petrusbriefs lässt eine ausdrückliche Ermahnung der Herren sogar ganz fallen und legt die Bürde allein den Sklaven auf:
Ihr Knechte, seid untertan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen. Denn das ist Gnade, dass jemand um des Gewissens willen zu Gott das Übel verträgt und leidet das Unrecht. Denn was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missetat willen Streiche leidet? Aber wenn ihr um Wohltat willen leidet und erduldet, das ist Gnade bei Gott. (1. Petrus 2,18)
Andere, wie Apollonios, sprachen sich vorbehaltlos dafür aus, die Verantwortung allein den Sklaven zu geben, ohne Rücksicht darauf, ob der Herr ein Scheusal war:
»… Wenn Herren ihre Sklaven vernachlässigen, kann man sie nicht zur Verantwortung ziehen. Sie verachten die Diener vielleicht, weil sie unnütze Menschen sind. Wenn aber die Knechte ihren Herren nicht bedingungslos zugetan sind, dann verdienen sie von denen die Todesstrafe, weil sie von den Göttern gehaßte und verfluchte Sklaven sind.« (Philostrat,
Das Leben des Apollonios von Tyana
4,40)
Vielleicht das Schlimmste war die Verbindung von körperlicher und seelischer Gewalt – der sexuelle Missbrauch, der weder als Sadismus noch als Unterwürfigkeitstraining zu verstehen ist. Es konnte sich dabei natürlich um Vergewaltigung handeln, aber da sowohl Sklaven als auch Freie beiläufig und völlig selbstverständlich davon ausgingen, dass Sklaven als Sexualobjekte zur Verfügung standen, war offene Gewalt häufig gar nicht im Spiel. Kurz nach der hier behandelten Zeitspanne schrieb Salvian im 5. Jahrhundert n. Chr.: »die Sklavinnen werden gegen ihrenWillen gezwungen, den unzüchtigen Herren zu gehorchen, und die Wollust der Herren ist für die Untergebenen Befehl« (
Über die göttliche Regierung
7,4). Und nicht nur die Frauen litten. Petron erzählt die Geschichte eines Sklaven von Glykon, den die Ehefrau seines Herrn in ihr Bett befahl. »Was kann ein Sklave dafür, wenn man ihn zwingt, ein Ding zu drehen?« (
Satyrica
45). Männliche Sklaven wurden auch von ihren Herren sexuell missbraucht. Figuren wie Trimalchio brüsten sich zwar damit, dass sie vom Knabenliebling des Herrn und Päderasten zu seinem Liebling im Hauhalt aufgerückt seien (»Vierzehn Jahre lang war ich Gegenstand der sexuellen Avancen meines Herrn – es ist nicht verächtlich zu tun, was dein Herr befiehlt«) und es überdies zu Freiheit und Wohlstand gebracht hatten, doch muss das Erlebnis der Vergewaltigung die Knaben und Mädchen sehr belastet haben. Der ältere Seneca sagt es so: Schamloses Sexualverhalten ist bei einem Freien verbrecherisch, für einen Sklaven notwendig und für einen Freigelassenen Pflicht (
Declamationes
4, pr. 10). Im Neuen Testament findet sich keine Verurteilung dieses sexuellen Missbrauchs. Die rabbinische Literatur schreibt vor, wann Geschlechtsverkehr mit der eigenen Sklavin erlaubt ist. Sogar der aufgeklärte römische Philosoph Musonius Rufus schrieb: »Jeder Herr ist voll berechtigt, seinen Sklaven nach Wunsch zu benutzen« (
Diatribe
12,88). Die Erwartung, dass Sklaven zu jeder Zeit, an jedem Ort sexuell zur Verfügung standen, war allseits verbreitet, und so hatten sie diese Tatsache in ihrem Leben zu berücksichtigen.
Auch bei brutalster körperlicher Misshandlung blieb den Sklaven kaum ein Refugium. Gute Herren mochten sich die Beschwerden eines Sklaven vielleicht anhören und auch hilfreich eingreifen, aber die große Mehrheit der Sklavenbesitzer, die
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