Römer im Schatten der Geschichte
denn ein »innerbetrieblicher« Strafvollzug hätte sich auf das Leben in der Sklavengruppe störend ausgewirkt. Es gab daher Spezialisten für die Behandlung von Sklaven, die bei ihren Herren als besonders störrisch oder tückisch galten. Ein gutes Beispiel findet sich im 18. Kapitel des Matthäusevangeliums in den Versen 21 bis 34. Jesus erzählt von dem König, der einem seiner Diener eine große Schuld erließ. Der Diener ging daraufhin zu einem Mann, der seinerseits ihm Geld schuldete, weigerte sich aber, die Bitte des Armen um Gnade und Aufschub zu erhören, und verkaufte ihn und seine Familie, um die Schulden einzutreiben. Als der König davon erfuhr, wurde er zornig »und überantwortete ihn den Peinigern, bis dass er bezahlte alles, was er ihm schuldig war«. Auch in Apuleius’ Roman strafen Sklaven ihre Schicksalsgenossen.
Das Leben in der Gemeinschaft der Sklaven war komplex: Der Einzelne musste sich ein Urteil über die Mitsklaven bilden, Freundschaftenund Bündnisse schließen und sich, soweit möglich, Kummer ersparen. Dieselbe Komplexität galt über seine unmittelbare Umgebung hinaus für das Miteinander in der freien Bevölkerung außerhalb des Hauses. Zu entscheiden ist die grundlegende Frage, ob Sklaven und Freie in der Gesellschaft als Ganzer prinzipiell voneinander getrennt waren, weil sich die Freien den Sklaven im Bewusstsein ihrer Freiheit überlegen fühlten. Dass die Elite und aller Wahrscheinlichkeit nach auch die sehr Wohlhabenden eine solche Geringschätzung empfanden und zwischen sich und jedem Sklaven eine massive psychologische Barriere errichteten, ist nicht zu bezweifeln, doch muss man sich fragen, ob die breite Bevölkerung dieses Gefühl teilte. Die Meinungen dazu gehen heute auseinander. Zum Teil ist man überzeugt, dass jeder Freie sich von den Sklaven abgrenzte, stolz auf seine Freiheit und im sicheren Gefühl der Überlegenheit, die sie ihm gegenüber den Sklaven verlieh, selbst wenn ein bestimmter Sklave mehr Geld, Einfluss und Aussichten hatte als er. Andere verweisen darauf, dass das Leben vieler gewöhnlicher Menschen dem vieler Sklaven gar nicht unähnlich war und folglich alles dafür spricht, dass Sklaven und Freie mehr über die Dinge nachdachten, die sie gemeinsam hatten, als über die Kennzeichnung »Sklave« oder »frei«. Gemeinsam war ihnen auch der enorme Abstand zur Elite, und dass sie die Abneigung, wenn nicht Hassgefühle gegenüber der winzigen herrschenden Minderheit teilten, lag wohl ebenfalls nahe. Als nach der Ermordung des Senators Pedanius Secundus sämtliche Sklaven des Hauses zur Kreuzigung verurteilt wurden, als Strafe und Denkzettel, weil keiner von ihnen das Komplott bekannt gemacht oder seine Ausführung verhindert hatte, bildete sich ein zorniger Mob aus freien Römern der Mittel- und Unterschicht und Sklaven, der den Vollzug der Strafe zunächst blockierte. Erst Kaiser Neros Truppenaufgebot machte den Weg frei für die Exekutionen (Tacitus,
Annalen
14,42 – 45).
Es wäre jedoch auch schwierig gewesen, die Sklaven von der gewöhnlichen Bevölkerung abzugrenzen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass sich die Sklaven in Sprache und Aussehen meist nicht von Freien unterschieden. Sie trugen in der Regel keine kennzeichnende Kleidung. Es gab natürlich Ausnahmen: gebrandmarkte Sklaven oder solche mit »Sklavenschnitt« – kurz geschnittenem Haar – oder Sklaven in der besonderen Livree ihres Herrn. Doch abgesehen von den Geschäftsleutenin der formellen Kleidung, der Toga, waren die Männer im Alltag äußerlich kaum zu unterscheiden. Bei Petron sagt Hermeros: »Ich war vierzig Jahre lang ein Sklave, und niemand wusste, ob ich Sklave war oder frei.«
Die Sklaven verrichteten ihre Tätigkeit häufig außerhalb des Hauses und lebten oft im Freien. Sie wurden von ihren Herren mit großen und kleinen Pflichten betraut, die zuweilen auch Freie übernahmen, so im Bau- und Transportwesen, im Handwerk, Handel und Geldverleih. Angesichts der Ähnlichkeit in Herkunft, Kultur und Beschäftigung ist es kein Wunder, dass Sklaven, Freie und Ex-Sklaven (Freigelassene) denselben religiösen und weltlichen Organisationen angehörten. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Einige, deren Vergangenheit als Sklave noch nicht weit zurücklag, hegten für die noch Versklavten wenig Sympathie. Zu ihnen gehörte Larcius Macedo, Sohn eines Freigelassenen, der seine Sklaven besonders grausam behandelte und von einem seiner Sklaven getötet wurde (Plinius d.
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