Römischer Lorbeer
unterdrücktes Schluchzen; es klang wie das
Weinen einer Frau, so leise, daß es niemand gehört
hätte, wenn es nicht so vollkommen still gewesen wäre.
Ich wandte den Kopf. Auf der Treppe zum Garten saß abseits
der anderen Gäste, versteckt im Schatten des Sockels der
riesigen Venus, eine einzelne Gestalt. Sie hielt die Arme um die
Beine geschlungen, um ihr Zittern zu verbergen, und den Kopf auf
den Knien, doch an ihrem Gewand erkannte ich, daß es
Trygonion war.
22
Nach Catulls Auftritt
kam die Feier nie wieder richtig in Schwung, trotz der endlosen
Parade von Unterhaltungskünstlern, die noch folgten, darunter
einige andere Dichter, die bekannter waren als Catull, der deshalb
ganz bewußt an den Anfang des Programmes gesetzt worden war.
Aber kein anderer Poet rezitierte an jenem
Abend irgend etwas, was bleibenden Eindruck gemacht hätte,
zumindest auf mich nicht.
Des weiteren gab es
Tänzer, Jongleure und eine abschließende Folge
unglaublich derber, aber sehr komischer Sketche des Mimen. In einer
Pause zwischen all diesen Darbietungen fand die Gastgeberin auch
den Weg zu uns. Sie begrüßte Bethesda mit ausgestreckten
Armen und einem Kuß. »Hast du mein Geschenk
bekommen?«
»Ja, danke. Es
ist in unserem Haus abgegeben worden, als wir unten auf dem Forum
waren.« Bethesda streifte mich mit einem
Seitenblick.
Clodia nickte.
»Gut. Jetzt bist du eine von uns. Ja, ich habe euch beide
beim Prozeß gesehen. Was denkst du, Gordianus? Wie ist es
heute für uns gelaufen?«
»Bethesda hat es
wohl am treffendsten formuliert: »Besser viel wissen, als
viel reden‹.«
Clodia warf mir ein
fragendes Lächeln zu. »War es Bethesda, die das gesagt
hat? Ich dachte, es wäre mein Ahnherr Appius Claudius gewesen,
derjenige, der… na ja, egal. Kann ich dich kurz unter vier
Augen sprechen? Senator, unterhalte diese Dame für einen
Moment, während ich ihren Mann in einer geschäftlichen
Angelegenheit
entführe.«
Sie führte mich
aus dem Garten in eines ihrer Privatgemächer. Die Wände
waren dunkelrot bemalt und mit ländlichen Szenen von Satyrn
und Nymphen verziert.
»Du siehst heute
schon wieder viel besser aus«, sagte ich.
»Wirklich? Ich
fand, ich sah schrecklich aus, als ich mich heute morgen im Spiegel
gesehen habe. Ich habe ernsthaft erwogen, das Fest abzusagen, aber
das wäre das erste Mal gewesen, daß mein Fest am
Vorabend des Feiertags der Großen Mutter ausgefallen
wäre. Sogar als ich mit Quintus im Cisalpinischen Gallien war
-«
»Hast du Chrysis
heute foltern lassen?«
Sie sah mich einen
Moment lang ausdruckslos an. Selbst im Widerschein des warmen
Lichtes sah ihr Gesicht blaß aus.
»Eigentlich habe
ich dich beiseite genommen, um über wichtigere Dinge zu
sprechen. Aber da du fragst, Gordianus - ja, Chrysis ist heute
gefoltert worden. Nicht von mir persönlich, natürlich.
Von Offiziellen des Gerichtshofes. Du weißt doch sicher,
daß ein Sklave nicht vor Gericht aussagen darf, ohne
gefoltert worden zu sein? Ansonsten könnte sie einfach sagen,
was ihre Herrin ihr aufgetragen hat.«
»So lautet die
offizielle Logik, ja.«
»Das
Miststück wollte mich vergiften. Ich habe sie auf frischer Tat
erwischt.«
»Hat sie
gestanden?«
»Ja.«
»Hat sie Caelius
beschuldigt?«
»Selbstverständlich. Du
kannst ihr Geständnis morgen lesen, direkt vor meiner
Aussage.«
»Ein
Geständnis, das sie unter der Folter gemacht
hat.«
»Du scheinst
heute abend eine ungesunde Fixierung auf die Folter zu haben,
Gordianus. Man sollte meinen, nach dem schrecklichen Gedicht von
Catull hättest du für diesen Abend genug an Folter! Also
wirklich, als er sagte, er hätte das perfekte Gedicht für
den Feiertag der Großen Mutter…« Sie schauderte
heftig, bevor ihre Miene sich wieder aufhellte. »Aber ich
hoffe, ich muß keine Folter anwenden, um dich morgen zur
Aussage zu bewegen.«
»Mich?«
»Natürlich.
Wen hätte Herennius sonst meinen sollen, als er sagte, der
Mann, den Cicero den »ehrlichsten Mann in Rom‹ genannt
hat, würde gegen Caelius aussagen? Du mußt nur bezeugen,
was du in den Bädern des Senia und gestern in meinem Haus
gesehen hast, die geplanten Anschläge auf
mich.«
»Und wenn ich
mich weigere auszusagen?«
Sie schien
überrascht. »Niemand kann dich zwingen. Aber ich dachte,
du wolltest, daß Caelius seine gerechte Strafe
bekommt.«
»Ich wollte Dios
Mörder entlarven.«
»Das ist doch
dasselbe, Gordianus. Jeder in Rom hat das längst begriffen,
warum also nicht du? Ach, du
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