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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Kurtisane kicherte. Bethesda rang sich ein
verkniffenes Lächeln ab und flüsterte mir ins Ohr:
»Sind alle seine Gedichte so vulgär?«
    »Zumindest die
Verse, die ich gehört habe.«
    »Seine
Liebesgedichte sind bestimmt anders«, seufzte sie mit
ratloser Miene. Die Attraktion, die Marcus Caelius auf Clodia
ausübte, war ihr absolut verständlich, doch Catulls Reize
entzogen sich ihr.
    Im selben Moment traf
Catulls Sofapartner ein. Ich hätte es mir denken können,
denn seine Anwesenheit machte das perverse Ungleichgewicht perfekt.
»Komme ich gerade zum Ende eines deiner Gedichte?«
spottete Trygonion und ließ sich auf das Sofa fallen.
»Welch glücklicher Zeitpunkt.«
    Catull knurrte und
schnaubte, verbarg damit jedoch nur eine noch heftigere Reaktion.
Sein Kinn bebte. Clodia hatte ihn nicht nur zurück nach
Bithynien verbannt; sie hatte ihn Seite an Seite mit ihrem
kastrierten Schoßhund plaziert. Doch offenbar fiel es
außer mir niemandem auf, daß Catull nur mit Mühe
die Tränen zurückhalten konnte.
    *
    Als alle saßen,
hieß Clodia ihre Gäste in einer kurzen Rede willkommen
und versprach, wenn irgend möglich, im Lauf des Abends noch
jeden persönlich zu begrüßen; dies quittierte ein
junger Mann mit Stoppelbart und einer wahrhaft verwegenen
Sturmfrisur an einem der Nebentische mit einem anzüglichen
Pfeifen, worauf sein Begleiter ihn für sein vorlautes Betragen
rügte. Ich sah, wie Catull das Gesicht verzog.
    Der Abend begann mit
dem Aufträgen des ersten Gangs, einer Gänseleberpastete,
die den Göttern angemessen gewesen wäre. Ein erlesener
Falerner tat ein übriges, alle Sorgen fortzuspülen. Bald
bezauberte Bethesda Senator Fufius mit Geschichten aus ihrer
Geburtsstadt Alexandria, während seine vernachlässigte
Kurtisane im Essen herumstocherte und schmollte. Der Senator schien
ehrlich fasziniert von allem, was Bethesda zu sagen hatte.
»Ich war selbst nie in Ägypten«, erzählte er,
»aber nach all den Debatten und Kontroversen der letzten Zeit
muß man sich doch fragen, worum es bei dem ganzen Theater
eigentlich geht.« Sogar Trygonion und Catull begannen
anfallartig und hektisch miteinander zu plaudern, und sei es nur,
weil keiner von beiden lange den Mund halten konnte. Sie tauschten
spitze Bemerkungen aus und wetteiferten darin, diverse Anwesende zu
verspotten, wobei sie die in Hörweite Sitzenden verschonten -
der Hauptvorteil, ihr Tischnachbar zu sein, entschied
ich.
    Schließlich war
das Mahl beendet oder zumindest das erste Mahl des Abends;
später würde es noch mehr Wein und Speisen geben. Jetzt
war es Zeit für die Unterhaltungseinlagen. Die Gäste
hatten sich in den Garten begeben, wo vor der kleinen Bühne
Klappstühle und Sofas aufgestellt worden waren. Ich war froh,
Catull und Trygonion zu entkommen, doch der Senator klebte an
Bethesda, gefolgt von seiner Kurtisane. Sklaven offerierten weiter
kleine Leckereien und Köstlichkeiten für alle, die nicht
genug kriegen konnten, und sorgten dafür, daß kein
Becher lange leer blieb.
    Das
Unterhaltungsprogramm begann mit einem Mimenspiel, einer
Vorstellung, bei der ein einzelner unmaskierter Schauspieler alle
Rollen sprach. Der Künstler war neu in Rom (»Gerade erst
in die Stadt gekommen«, verkündete Clodia,
»nachdem er von Zypern bis Sizilien die Leute zum Lachen
gebracht hat«), doch die kleinen Szenen, die er
aufführte, waren die üblichen Standards, derbe Satiren
über einen aufmüpfigen Sklaven, einen Kuppler, der einen
Mann zu überzeugen sucht, sich eine zweite Ehefrau zuzulegen,
und einen Arzt, der aus Versehen den falschen Patienten mit einer
Reihe brüllend komischer, schmerzhafter Heilmittel traktiert.
Der Schauspieler vollzog den Kostümwechsel binnen Sekunden und
beschränkte sich auf die einfachsten Theaterrequisiten - ein
Schal verwandelte ihn in ein schüchternes junges Mädchen,
eine grotesk übertriebene Halskette in eine reiche Dame, ein
Spielzeugschwert aus Holz in einen großspurigen
General.
    Die Menge
ergötzte sich an jeder Obszönität, stöhnte bei
miesen Wortspielen auf und wieherte beim Höhepunkt jeder
Parodie vor Lachen. Der Schauspieler war außergewöhnlich
gut; Clodia wußte eben, wie man einen
Unterhaltungskünstler auswählt. In den Pausen zwischen
den einzelnen Szenen informierte Bethesda den Senator, daß
Mimenspiele ursprünglich auf den Straßen und
Plätzen von Alexandria entstanden waren, wo wandernde
Schauspieler ihre Requisitenkisten abstellten und improvisierte
Vorstellungen gegen Münzen

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