Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
nicht im Haus haben wollte.
    Ich faßte an den
Deckel der Pyxis, und er löste sich sofort. Ich fuhr zusammen,
weil ich glaubte, den Inhalt achtlos verschüttet zu haben, bis
mir klar wurde, daß es gar keinen Inhalt zum Verschütten
gab.
    Die Pyxis war leer.
Nur in den Ecken des Döschens klebten noch ein paar
Krümel des Giftes, die genauso aussahen wie das krümelige
gelbe Pulver, das Clodia mir gezeigt hatte.
    Was hatte das zu
bedeuten?
    Ich stellte die Pyxis
zur Seite und nahm erneut die Schatulle zur Hand, weil ich annahm,
daß das Döschen sich in eines ihrer Fächer entleert
haben mußte. Gelbes Puder entdeckte ich nicht, dafür
aber etwas anderes, einen kleinen, leicht zu übersehenden
Gegenstand: einen Ohrring in Form eines schlichten silbernen Hakens
mit einer grünen Glasperle zur Verzierung. Ich erkannte ihn
sofort; es war einer von Bethesdas alten Ohrringen.
    Der Haken war
verbogen. Ich untersuchte noch einmal das aufgebrochene
Schloß der Schatulle. Die Metallverkleidung war mit winzigen
Kratzern übersät. Der Schlitz war sehr schmal, und der
Haken des Ohrrings hatte die passende Größe, um darin
herumzustochern.
    Es war ganz
offensichtlich: Das Schloß war mit dem Ohrring geöffnet
worden.
    Ich saß da und
starrte dumpf auf den Ohrring, die Schatulle und die leere Pyxis,
zunächst verwirrt, dann verblüfft und schließlich
wütend.
    Diana und ihre Mutter
schreckten zusammen, als ich den Vorhang beiseite schob und das
Zimmer betrat, die leere Pyxis in der ausgestreckten
Hand.
    »Könnt ihr
mir das erklären?« fragte ich, bemüht, meine Stimme
ruhig zu halten.
    Sie sahen mich an, als
würden sie mich kaum kennen. Hätte ich in jenem Moment
mein eigenes Spiegelbild erkannt?
    Keine von beiden regte
sich. »Ich habe gefragt, ob ihr mir das erklären
könnt«, wiederholte ich. Sie starrten mich mit leerem
Blick an.
    »Also gut. Es
bedarf auch keiner Erklärung.« Ich hielt den Ohrring hoch.
»Du mußt ja ziemlich in Eile gewesen sein, Bethesda,
daß du den hier vergessen hast. Das war unvorsichtig, sehr
unvorsichtig. War dir nicht klar, daß ich ihn irgendwann
finden würde?«
    Sie sah den Ohrring
ausdruckslos an. »Bitte tu nicht so, als würdest du ihn
nicht erkennen, Bethesda. Sogar ich habe ihn erkannt, obwohl du
immer behauptest, ich würde deinem Schmuck keine Beachtung
schenken! Er gehört zu einem Paar, das du schon seit Jahren
besitzt.« Ich seufzte, auf einmal eher traurig als
wütend. »Hat es dir so viel bedeutet, ihre Gunst zu
gewinnen? Wußtest du nicht, wozu sie das Gift benutzen
würde - nicht nur, um das Gericht zu täuschen, sondern
auch, um mich zum Narren zu halten!« Ich ließ die Pyxis
zuschnappen und warf den Ohrring auf den Boden. Diana fuhr zusammen
und drängte sich ängstlich an ihre Mutter. Einen Moment
lang war ich beschämt, doch dann kehrte mein Zorn zurück.
Ich lief im Zimmer auf und ab.
    »Sie hat auch
dich zum Narren gehalten, siehst du das nicht? Sie hat dich zu
ihrem Fest eingeladen, dir diese abscheuliche Statue geschenkt und
dich glauben lassen, du würdest zu ihrem Kreis zählen.
Peinliche Geheimnisse miteinander teilen und hinter meinem
Rücken im Garten tuscheln! Ich kann mir vorstellen, daß
sie sich ausgedacht hat, was immer du hören wolltest. Darin
hat sie große Übung. So macht sie es auch mit ihren
Liebhabern, warum also nicht mit dir? Hast du wirklich geglaubt,
sie wollte deine Freundin sein? Eine Frau, die von ihren Vorfahren
spricht, als wären es Götter, läßt sich zu
einem Plausch mit einer als Sklavin Geborenen
herab?«
    Ich blieb stehen und
versuchte, meine Wut zu zügeln, doch dadurch wurde ich nur
noch wütender. Ich umklammerte die Pyxis so fest, daß
ihre Kanten in meine Handfläche schnitten. »Frau, du
hast geholfen, mich zu täuschen! Leugnest du
das?«
    Bethesda antwortete
nicht.
    »Du hast mich
vorsätzlich getäuscht! Leugnest du das?«
    »Mutter-«,
sagte Diana und umklammerte Bethesdas Arm. Bethesda bedeckte das
Gesicht des Mädchens und drückte sie an ihren Busen, um
sie zu beruhigen.
    »Leugnest du
das?« brüllte ich.
    Bethesda sah mir fest
in die Augen, bis zum Ende nicht zu erschüttern. »Nein,
Mann. Das leugne ich nicht.«
    »Du hast dabei
mitgeholfen, mich zu täuschen?«
    »Ja.«
    Wir starrten uns lange
an. Bethesda blinzelte kein einziges Mal. Ich schleuderte die Pyxis
zu Boden und stürmte wütend aus dem Zimmer. Mein
Gebrüll hatte Belbo geweckt, der mir nacheilte, als ich aus
der Tür auf die nachtschwarze Straße

Weitere Kostenlose Bücher