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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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weiß
nicht, wovon du redest. Wie gesagt, Gordianus, es ist spät
-« 
    »Hast du die
Symptome nur vorgetäuscht? Der Arzt deines Bruders hätte
dir sagen können, wie man das macht, nachdem du ihm erst
einmal das Gift gezeigt hattest, das du dir hattest besorgen
lassen. Oder hast du tatsächlich ein wenig von dem Zeug
geschluckt, und er hat dich bezüglich der Dosierung beraten
— auf keinen Fall zu viel, daß es dich umbringen
würde, aber gerade genug, um dich erkranken zu lassen, die
Vorstellung perfekt zu machen und sicherzugehen, daß du mich
und auch alle anderen täuschen würdest. Ja, ich denke,
das würde dir ähnlich sehen, mit dem
höchstmöglichen Einsatz zu spielen. Aber das arme
Mädchen um der Glaubwürdigkeit willen der Folter
auszuliefern - damit hast du es ein bißchen zu weit
getrieben, Clodia, selbst für deine Verhältnisse.
Natürlich konntest du dich darauf verlassen, daß sie
ihnen die Geschichte genau so erzählt, wie du es wolltest, da
man sie dir, wenn alles vorbei ist, einfach zurückgeben wird,
und wenn sie ihre Pflicht nicht anständig erfüllt hat,
kannst du ihr Leben zu einer einzigen Qual machen. Die
Absurdität, Sklaven zu foltern, um die Wahrheit
herauszubekommen -«    
    »Du bist
vollkommen übergeschnappt, Gordianus. Du redest wirres
Zeug.«
    »Warum habe ich
dann das Gefühl, hellwach und klar zu sein, eigentlich zum
ersten Mal, seit ich dich getroffen habe? Es ist genauso, wie man
sagt: Du hast mich in deinen Bann geschlagen. Ich dachte, ich
wäre immun dagegen, doch nur ein Narr konnte so etwas glauben,
und genau das wolltest du aus mir machen. Doch jetzt sind mir die
Augen geöffnet worden, und ich muß mich fragen, wie tief
du dich in diesen Feldzug zur Zerstörung von Marcus Caelius
verstrickt hast. Wenn der Vorwurf der versuchten Vergiftung
erfunden war, was ist dann mit dem Anklagepunkt des Mordes? Was ist
mit Dio -›dem armen Kerl‹, wie du ihn nanntest?
Hattest du vielleicht auch bei seiner Ermordung die Hand im Spiel -
und sei es nur, um Marcus Caelius zu bezichtigen?«
    »Lächerlich! Als Dio
starb, waren Caelius und ich noch -«
    »Dann hat dir
Caelius vielleicht bei dem Mord geholfen. Wer sagt, daß am
Ende nicht dein Bruder hinter allem steckt, wenn Caelius damals
noch sein Verbündeter war, genau wie er noch dein Geliebter
war? Und dieses Geld, das du Caelius geliehen hast und das er
angeblich für den Giftanschlag auf Dio benutzt hat -
vielleicht wußtest du die ganze Zeit, wofür es war;
vielleicht war der ganze Plan ursprünglich der deine und
Caelius bloß eine deiner Marionetten. Ich sehe jetzt klarer,
Clodia, und doch wird alles nur noch düsterer und
undurchschaubarer. Angesichts meiner wachsenden Verwirrung sollte
ich morgen beim Prozeß wohl besser doch nicht aussagen, meinst du
nicht auch? Jedenfalls nicht für die Anklage. Vielleicht
könnte ich für die Verteidigung aussagen -ja, soll Cicero
den ehrlichsten Mann in Rom aufrufen, um zu schildern, wie Clodia
ihn hereingelegt hat, um Marcus Caelius als potentiellen
Giftmörder zu bezichtigen.«
    »Das
würdest du nicht wagen!«
    »Nicht? Dann
schlage ich vor, du läßt alle Vorwürfe im
Zusammenhang mit diesem vermeintlichen Giftanschlag fallen.
Zerreiße die Aussage, die Chrysis unter der Folter gemacht
hat. Und erwähne ›das Haar der Gorgonen ‹ bei
deiner Aussage mit keinem Sterbenswörtchen. Hast du mich
verstanden? Andernfalls werde ich selbst aussagen und alles
bestreiten, was du sagst. Wie würde deine Anklage gegen
Caelius aussehen, wenn deine Intrige entlarvt wird? Soviel zu den
schockierenden Enthüllungen, die Herennius als Höhepunkt
des Prozesses versprochen hat!«
    Clodias Augen blitzten
auf. Ihre Lippen zitterten. Wut loderte in ihrem Gesicht auf und
verblaßte wieder, als es ihr gelang, sie zu zügeln.
Erneut fiel mir auf, wie schwach und ausgezehrt sie aussah - war
sie wirklich verrückt genug, sich selbst vorsätzlich zu
vergiften? War sie derart unbarmherzig von der Idee besessen,
Caelius zu vernichten? Was war das für eine Liebe, die in
solchem Haß und solcher Raserei endete? Und am
rätselhaftesten - zumindest für mich: Wie konnte Clodia -
ihr Körper von selbst verabreichtem Gift verwüstet, ihr
falsches Spiel entlarvt, ihr Plan, mich zu benutzen, vereitelt - in
meinen Augen noch immer so atemberaubend schön aussehen? So
schön, daß ich sie nicht ansehen konnte, sondern ihr den
Rücken zuwenden und die brünftigen Nymphen und Satyrn
betrachten mußte, die mit

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