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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Geschwister.«
    »Nicht?
Interessant.«
    »Clodia ist die
Älteste und hatte eine andere Mutter als ihre jüngeren
Geschwister. Ich glaube, ihre Mutter ist bei der Geburt gestorben.
Kurz darauf heiratete Appius Claudius seine zweite Frau und zeugte
drei Söhne, deren jüngster Publius Claudius, also
Clodius, ist, sowie zwei weitere Töchter. Clodius muß
ungefähr so alt sein wie du, Eco, etwa
fünfunddreißig, und Clodia ist ungefähr fünf
Jahre älter als er.«
    »Dann sind sie
also nur Halbgeschwister«, sagte Eco. »Das heißt,
jede Kopulation - vermeintlich oder sonstwie - wäre nur ein
halber Inzest.«
    »Nicht,
daß diese Unterscheidung für irgend jemanden diesseits
von Ägypten einen Unterschied machen würde«, sagte
ich. »Clodius ist angeblich - weitere Gerüchte -
Liebhaber aller seiner Schwestern gewesen, seiner beiden
jüngeren Vollschwestern ebenso wie der seiner älteren
Halbschwester Clodia. Außerdem heißt es, Clodius
wäre als Junge von seinen älteren Brüdern als
Lustknabe an wohlhabende Lebemänner verkauft
worden.«
    »Aber ich
dachte, Clodius und seine Familie wären schon immer reich
gewesen.«
    »Nach unseren
Maßstäben sogar unermeßlich reich, Eco, aber nicht nach den
Vorstellungen von ihresgleichen. Während des
Bürgerkrieges, als Clodia und Clodius noch Kinder waren, stand
ihr Vater Appius auf Seiten Sullas. Als Sullas Stern zu sinken
schien, mußte Appius für ein paar Jahre aus Rom
verschwinden, und seine Kinder waren gezwungen, in einer Stadt
voller Feinde alleine zurechtzukommen. Clodia, die Älteste,
war damals kaum zehn Jahre alt. Es war bestimmt nicht leicht
für die Kinder. Für uns waren das harte Jahre.«
Eigentlich war das etwas, was ich Eco nicht lange erklären
mußte; in jenen chaotischen Jahren des Bürgerkriegs war
sein leiblicher Vater gestorben, und seine Mutter mußte in so
bitterer Armut leben, daß sie ihn schließlich
verließ; er war gezwungen, sich allein auf der Straße
durchzuschlagen, bis ich ihn in mein Haus nahm und
adoptierte.
    »Als Sulla
schließlich triumphierte und Diktator wurde, kehrte Appius
Claudius für ein paar Jahre nach Rom zurück. In dem Jahr,
als Sulla in den Ruhestand ging, wurde er zum Konsul gewählt.
Dann trat er die Statthalterschaft in einer Provinz an - Makedonien
war es, glaube ich -, wo er die Einheimischen mit Steuern
überziehen und Tribute von den Stammesfürsten kassieren
wollte, um so seine Töchter mit einer
standesgemäßen Mitgift und seine Söhne mit genug
Silber ausstatten zu können und ihre politischen Karrieren auf
den Weg zu bringen. Wie das bei einem Römer, der Erfolg in der
Politik hat, so ist. Allerdings nicht im Fall von Appius Claudius.
Er starb in Makedonien. Die Steuern und Tribute wurden von seinem
Nachfolger einkassiert, und Appius Claudius’ Kinder bekamen
aus Makedonien nur die Asche ihres Vaters. Danach müssen sie
eine üble Zeit durchgemacht haben. Sie waren nie so arm,
daß sie ganz aus dem Blickfeld verschwanden, doch man kann
sich das Sparen an allen Ecken und Enden vorstellen, das nötig
war, um den äußeren Schein zu wahren - es ist diese Art
von Demütigung, die eigentlich privilegierten Patriziern am
meisten mißfällt.
    Und ohne den Vater im
Haus müssen die Kinder sich ihre eigene Form des
Zusammenlebens geschaffen haben. Es gab ja niemanden, der ihnen betimmte
Regeln aufgezeigt hätte. Ich weiß es nicht, aber in
einer so chaotischen und oft feindlichen Stadt aufzuwachsen,
während der Vater jahrelang nicht zu Hause war, bevor sie ihn
in jungen Jahren ganz verloren, muß die Geschwister sehr eng
zusammengeschweißt haben - wie eng? Und auch wenn ich
bezweifle, daß der junge Clodius sich wirklich professionell
prostituiert hat -derlei Gerede klingt mir zu sehr nach Verleumdung
so fällt es einem unter den gegebenen Umständen doch
nicht schwer, sich vorzustellen, daß er alle Reize, über
die er verfügte, eingesetzt hat, um sich bei denen
einzuschmeicheln, die ihm und seinen Brüdern helfen konnten,
voranzukommen. Auch ist es nicht schwer, sich vorzustellen,
daß es Menschen gegeben hat, die ihn begehrenswert fanden.
Selbst heute sieht Clodius noch beinahe jungenhaft aus - schlank,
geschmeidig und mit breiter Brust, glatter Haut, das Gesicht seiner
Schwester…«   
    »Ja, ich
vergaß, daß du ihn erst unlängst nackt gesehen
hast«, sagte Eco und zog die Brauen hoch.
    Ich beachtete sein
Gestichel nicht. »Der Beiname ihres Zweiges des claudischen
Geschlechts ist Pulcher, wie du sicher

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