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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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einer höheren Macht
sind. Mit Dio hat es angefangen, und wo es endet, kann nur die Zeit
zeigen. Irgendeine andere Macht scheint entschlossen, mich in diese
Sache hineinzuziehen.«
    »Nemesis?«
    »Ich dachte an
eine andere Göttin: Kybele. Einer ihrer Priester hat Dio zu
meinem Haus begleitet, und derselbe Priester hat mich heute
abgeholt. Meinst du, es ist bloß ein Zufall, daß der
Prozeß ausgerechnet an den Feiertagen der Großen Mutter
Kybele abgehalten wird? Wußtest du, daß es eine von
Clodias Ahninnen war, die die Statue der Kybele davor gerettet hat,
im Tiber zu versinken, als sie vor langer Zeit aus dem Orient
hergebracht wurde? Siehst du den Zusammenhang?«
    »Papa, du wirst
mit dem Alter immer religiöser«, sagte Eco
leise.
    »Mag sein. Auf
jeden Fall furchtsamer vor den Göttern, wenn schon nicht
ehrfürchtiger. Meinetwegen laß sie aus dem Spiel. Sagen
wir, daß es nur eine Angelegenheit zwischen mir und Dios
Schatten war. Mein Gefühl der Verpflichtung geht tiefer als
meine Besorgnis.«
    Eco nickte ernst. Er
verstand mich, wie immer. »Was willst du von mir,
Papa?«
    »Das weiß
ich noch nicht genau. Vielleicht gar nichts. Vielleicht nur,
daß du dir meine Zweifel anhörst und nickst, wenn ich
etwas halbwegs Sinnvolles sage.«
    Er ergriff meine
Hände. »Sag mir, wenn du mehr als das brauchst, Papa.
Versprich es mir.«
    »Ich verspreche
es, Eco.«
    Er ließ meine
Hände los und lehnte sich zurück. Irgendwo im Haus
hörte ich einen der Zwillinge kreischen. Ich dachte, daß
sie eigentlich wohl längst im Bett liegen sollten. Durch die
Schlitze in den Fensterläden sah ich, daß die Welt
draußen dunkel geworden war.
    »Was hält
Bethesda von der Sache?« fragte Eco.
    Ich lächelte.
»Wie kommst du darauf, daß ich ihr etwas erzählt
hätte?«
    »Du wirst ihr
doch irgendwas gesagt haben, als du heute abend mit ihr gegessen
hast.«
    »Ja - eine
leicht entschärfte Version meines Besuches in Clodias
horti.«
    »Ha! Ich bin
sicher, das mit den nackten Schwimmern hätte Bethesda
gefallen«, meinte Eco lachend.
    »Mag sein, aber
ich habe es ausgelassen, genauso wie die Beschreibung des Kleides,
das dich ziemlich zu faszinieren
schien.«    
    »Zunächst
mal hat es wohl dich fasziniert, Papa. Und Clodius, wie er nackt
aus den Fluten steigt wie ein junger Gott?«
    »Hab’ ich
auch weggelassen - obwohl ich die Umarmung der Geschwister
erzählt habe.«
    »Ihren Kuß
auch?«
    »Den Kuß
auch. Ein bißchen was zum Tratschen mußte ich Bethesda
schon bieten.«
    »Und was
hält sie von den Anschuldigungen gegen Marcus
Caelius?«
    »Bethesda hat
sie schlichtweg für absurd erklärt.«
    »Wirklich?«
    »›Unmöglich‹,
hat sie gesagt. ›Marcus Caelius könnte ein solches
Verbrechen nie begehen. Die Frau verleumdet ihn!‹ Ich fragte
sie, worauf sich ihre Meinung denn gründe, erhielt als Antwort
aber nur ihren Medusenblick. Bethesda hatte schon immer eine
Schwäche für unseren schneidigen jungen Nachbarn. Oder
Ex-Nachbarn, muß ich jetzt wohl sagen.«
    »Sie wird ihn
vermissen.«
    »Wir alle werden
es vermissen, hin und wieder das Spektakel zu beobachten, wie
Caelius um die Mittagszeit mit zerzaustem Haar und
blutunterlaufenen Augen aus seiner Tür taumelt, mit einer
Prostituierten aus der Subura zecht oder wie seine betrunkenen
Freunde des Nachts auf seinem Balkon obszöne Gedichte zum
besten geben.«
    »Hör auf,
Papa!« Eco rang vor Lachen nach Luft.
    »Das Ganze ist
wirklich kein Witz«, sagte ich plötzlich ernst.
»Schließlich steht die Zukunft des jungen Mannes auf
dem Spiel. Wenn er verurteilt wird, kann er bestenfalls hoffen, ins
Exil zu entkommen. Seine Familie müßte die
öffentliche Schande ertragen, seine Karriere wäre
beendet, und all seine Zukunftspläne wären
ruiniert.«
    »Wenn er
wirklich schuldig ist, kann die Strafe gar nicht hart genug
sein.«
    »Wenn er
schuldig ist«, sagte ich mit Nachdruck. »Und es ist an
mir, das herauszufinden.«
    »Und wenn du
herausfindest, daß er unschuldig ist?«
    »Werde ich genau
das Clodia berichten.«
    »Meinst du,
daß das für sie einen Unterschied machen
würde?« fragte Eco hinterlistig.
    »Eco, du
weißt genauso gut wie ich, daß es in römischen
Prozessen nur nebenbei um Schuld und Unschuld
geht.«
    »Du meinst,
Clodia wäre mehr daran interessiert, Caelius zu vernichten,
als Dios Mörder zu bestrafen.«
    »Der Gedanke kam
mir jedenfalls. Eine verschmähte
Frau…«
    »Es sei denn,
sie hat ihn verschmäht, Papa.«
    »Das gehört
vermutlich zu

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