Römischer Lorbeer
hättest dich aufs Altenteil
zurückgezogen und würdest längst nicht mehr in Rom
leben. Ich meine, jemand hätte mir erzählt, daß du
deine Karriere für ein bäuerliches Anwesen in Sizilien
aufgegeben hättest.«
»In Etrurien.
Doch das liegt schon eine Weile zurück. Ich bin schon seit
mehreren Jahren wieder in Rom.«
»Im
Ruhestand?«
»Ja und nein.
Hin und wieder nehme ich einfache Fälle an, nur um etwas zu
tun zu haben. Wahrscheinlich ungefähr so wie deine Geschichte
der Karthagischen Kriege.«
Das Aufblitzen seiner
Augen deutete an, daß Lucceius seine Rolle als Historiker
doch ernster nahm, als seine eigenen abschätzigen Bemerkungen
nahegelegt hatten. »Cicero schickt dich also, meine Aussage
abzuholen«, sagte er knapp. »Ich fürchte, sie ist
noch nicht fertig.«
Ich starrte ihn leeren
Blickes an.
»Nun, ich hatte
so viel zu tun«, sagte er. »Deswegen kommst du doch,
oder? Der Prozeß, den diese Schurken gegen den jungen Marcus
Caelius angestrengt haben, weil er Dio umgebracht haben
soll.«
»Ja«,
sagte ich langsam. »Deswegen bin ich hier.«
»Hat mich
überrascht - na ja, hat wohl alle überrascht -, als ich
hörte, daß Cicero die Verteidigung des Jungen
übernommen hat. Ich dachte, die beiden hätten sich
endgültig überworfen, aber da kann man mal sehen. Wenn es
eng wird, kommt der ungezogene Schuljunge zu seinem Tutor
zurückgelaufen. Eigentlich rührend.«
»Ja, das ist
es«, sagte ich leise. War es wirklich möglich, daß
Cicero Caelius’ Verteidigung übernommen hatte? Die
Nachricht war überraschend, machte jedoch durchaus Sinn.
Cicero hatte schon Asicius erfolgreich vertreten, wahrscheinlich um
Pompeius einen Gefallen zu tun. Pompeius wäre sicher sehr
angetan, wenn auch Caelius freigesprochen würde, und Cicero
war ein Mann, der das bewerkstelligen konnte. Was die Fehde
zwischen Caelius und Cicero betraf, funktioniert derselbe
Pragmatismus, der aus Freunden mit einem Blinzeln Feinde machen
kann, auch umgekehrt. »Deine Aussage für Cicero ist also
noch nicht fertig?«
»Nein. Komm
morgen wieder. Es überrascht mich übrigens, daß er
dich und nicht seinen Sklaven geschickt hat, der immer in allen
Details herumstochert.«
»Tiro?«
»Genau. Schlauer
Sklave.«
»Ja, nun, also
ich vermute, daß Tiro deine Aussage auch irgendwann abholen
wird. Aber wenn ich schon hier bin, könnte ich dir vielleicht
ein paar Fragen
stellen.«
»Nur
zu.«
Ȇber
Dio.«
Er winkte ab.
»Das wird alles in meiner Aussage stehen.«
»Trotzdem
könnte es uns allen - dir, mir, Tiro und Cicero - vielleicht Zeit sparen, wenn du
mir in groben Umrissen skizzieren würdest, was in deiner
Aussage stehen wird.«
»Genau das, was
ich Cicero erzählt habe. Dio war eine Weile zu Gast in meinem
Haus und ist dann weitergezogen. So einfach ist das. Dieser ganze
Unsinn von wegen einer Vergiftung - »Bösartige
Gerüchte breiten sich aus wie Olivenöl und hinterlassen
Flecken wie Rotwein‹.«
»Aber es hat in
diesem Fall doch einen Todesfall gegeben, oder nicht? Dios Sklave,
sein Vorkoster -«
»Der nutzlose
Sklave ist eines natürlichen Todes gestorben, und damit
basta!«
»Und warum ist
Dio dann in das Haus von Titus Coponius
umgezogen?«
»Weil er sogar
Angst vor seinem eigenen Schatten hatte. Wenn er einen Stock auf
dem Boden sah, hat er geschworen, es sei eine Schlange.«
Lucceius schnaubte verächtlich. »Dio war hier so sicher
wie eine Jungfrau im Haus der Galloi.«
»Trotzdem war
Dio der Ansicht, jemand hätte in diesem Haus versucht, ihn zu
vergiften.«
»Dio war ein
verdammter Narr! Sieh dir an, was ihm in Coponius’ Haus
widerfahren ist, und sage mir dann, wo er sicherer
war!«
»Das klingt
logisch. Dann warst du also ein guter Freund
Dios?«
»Natürlich!
Denkst du, ich würde einen Feind einladen, unter meinem Dach
zu schlafen? Tagsüber pflegte er dort zu sitzen, wo du jetzt
sitzt, und wir sprachen über Aristoteles, Alexandria oder
Karthago in den Tagen Hannibals. Er hat mir ein paar wertvolle Anregungen
für meine Geschichte gegeben.« Lucceius blickte zur
Seite und biß sich auf die Unterlippe. »Er war kein
schlechter Kerl. Es hat mir leid getan, ihn gehen zu sehen. Er
hatte natürlich ein paar unangenehme Angewohnheiten.« Er
lächelte grimmig. »Die Früchte ernten, bevor sie
reif sind, und dergleichen.«
»Was meinst du
damit?«
»Vergiß
es. Es hat keinen Sinn, über Tote soll man nichts Schlechtes
sagen.«
»›Die
Früchte ernten…«?«
»Er mochte sie
jung.
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