Römischer Lorbeer
ein
Schild angebracht worden, auf dem in ordentlichen schwarzen
Buchstaben stand:
ZU VERKAUFEN DURCH DEN
EIGENTÜMER PUBLIUS CLODIUS PULCHER
Darunter war eine Art Zeichnung.
Ich überquerte die Straße, um das Kunstwerk eingehender
zu betrachten, und erkannte, daß es ein grob hingekritzeltes
Graffito war, das einen Mann und eine Frau beim Geschlechtsverkehr
zeigte. Auf den ersten Blick erschien mir ihre Position absurd
akrobatisch, nach genauerer Betrachtung entschied ich, daß
sie physisch unmöglich war. Aus dem offenen Mund der Frau
quoll eine Sprechblase, in der fast alle Wörter falsch
geschrieben waren:
NICHTS GEHT ÜBER
BRUDERLIEBE!
Der Zeichner war ein zu schlechter
Künstler, als daß ihm irgendwelche wiedererkennbaren
Gesichtszüge gelungen wären, doch ich hatte keinen
Zweifel, wen die kopulierenden Figuren darstellen sollten.
Wahrscheinlich war das Graffito von Milos Schlägern
hinterlassen worden, obwohl Clodius und seine Schwester noch
zahlreiche andere Feinde hatten. In Anbetracht der
Rechtschreibfehler konnte man diesen Akt des Vandalismus schwerlich
Marcus Caelius zuschreiben. Oder doch? Caelius war
hinterhältig und gerissen genug, sein Kunstwerk als das eines
geringeren Geistes zu tarnen.
Belbo und ich gingen
weiter. Nach zahllosen Abzweigungen in kleinere Straßen
erreichten wir das Haus von Lucius Lucceius. Wie es dem Domizil
eines wohlhabenden und angesehenen älteren Senators entsprach,
präsentierte es zur Straße hin eine untadelige Fassade.
Die einzige Verzierung war eine massive, sehr alt wirkende
Holztür mit Schnitzereien und einem eisernen Schloß, das
aussah wie feinste karthagische Handarbeit. Es war keineswegs
unwahrscheinlich, daß die Tür nach der Plünderung
Karthagos als Kriegsbeute nach Rom gebracht worden war; in
Familien, deren Ahnen damals Roms alten Rivalen besiegt hatten,
habe ich schon oft derartige Trophäen gesehen. Belbo hingegen
sah, unbeeindruckt von Geschichte und Machart, bloß eine
Tür, an die er nun klopfte wie an jede andere Tür
auch.
Umgehend wurde sie von
einem Sklaven geöffnet, mit dem Belbo die vorgeschriebenen
Formalitäten austauschte. Einen Moment später wurde ich
in die Halle und dann weiter in ein karg möbliertes
Arbeitszimmer geführt. Die Wände waren mit
Kriegstrophäen aus Karthago verziert - Speere, Schwerter,
Teile von Rüstungen und sogar ein Paar
Elefantenstoßzähne. Der weißhaarige Herr des
Hauses saß vor einem von Schriftrollen, Stylus,
Wachstäfelchen und Pergamentfetzen bedeckten Tisch.
»Ich habe nur
einen Moment Zeit für dich«, sagte er, ohne
aufzublicken. »Ich weiß natürlich, wer du bist,
und kann mir vorstellen, weswegen du gekommen bist. Dort ist ein
Stuhl.
Setz dich.«
Endlich legte er die Schriftrolle, über der er gebrütet
hatte, aus der Hand und blinzelte mich an. »Ja. Ich erinnere
mich an dein Gesicht. Zum ersten Mal habe ich es gesehen, als
Cicero mich auf dem Forum auf dich aufmerksam machte - das
muß jetzt fünfzehn Jahre her sein, während des
Prozesses um die Vestalischen Jungfrauen. Der verdammte Catilina,
verführt eine Vestalin und kommt ungeschoren davon! Ich selbst
habe ihn einmal des Mordes angeklagt, mußt du wissen, ein
Jahr, bevor er seinen kleinen Aufstand inszeniert hat. Habe den
Prozeß leider verloren, was? Wäre für alle
Beteiligten besser gewesen, wenn es damals anders ausgegangen
wäre, auch für Catilina - er könnte jetzt irgendwo
im Exil hocken und all die hübschen Jungen in Massilia oder
sonstwo belästigen. Beim Herkules, du siehst aber rüstig
aus! Ich hätte gedacht, mittlerweile wärst du so alt
geworden wie ich!« Zu diesen Worten lächelte Lucius
Lucceius breit und stieß sich mit beiden Händen vom
Tisch ab. Er war ein bemerkenswert häßlicher Mann mit
großen buschigen Augenbrauen und einer ungepflegten
weißen Mähne.
Er lehnte sich
zurück und rieb sich die Augen. »Ich brauche sowieso
eine Pause. Ich arbeite an einer Geschichte der Karthagischen
Kriege. Mein Ur-Ur-Ur-Großvater hat Scipio Africanus
geholfen, Hannibal zu besiegen und der Familie einen Haufen
Schriftrollen hinterlassen, die seit Jahren niemand mehr gelesen
hat. Faszinierende Materie. Wenn ich fertig bin, werde ich alle
meine Freunde und Verwandten so lange tyrannisieren, bis sie eine
Kopie erwerben. Sie werden es zwar nicht lesen, aber immerhin habe
ich eine Arbeit, die mich beschäftigt. Gordianus,
Gordianus«, sinnierte er und starrte mich mit gerunzelter
Stirn an. »Ich dachte, du
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