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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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zitterte ich
und zog meinen Umhang fester um mich, weil ich dachte, es wäre
nur die nächtliche Kälte, die mir in die Glieder
kroch.
    Direkt neben dem
Tempel der Vestalinnen, unweit der Treppe zum Castor-Tempel, bogen
wir scharf nach Norden ab und folgten einem breiten Fußweg,
der die Rampe genannt wird, eine Abkürzung zu meinem Haus. Die
Rampe ist ein vielbegangener Weg, der jedoch selbst bei Tageslicht
einsam und verborgen wirken kann, am Fuße des Hangs
eingepfercht zwischen dem felsigen Sockel des Palatin und den hohen
Mauern auf der Rückseite des Hauses der Vestalinnen und im weiteren
Verlauf von einer engstehenden Reihe Zypressen verdeckt. Nachts
liegt die Rampe selbst bei Vollmond in tiefem Schatten. »Der
perfekte Ort für einen Mord«, hatte Bethesda einmal
erklärt, bevor sie auf halber Strecke kehrtgemacht und sich
fortan geweigert hatte, den Pfad je wieder zu betreten.
    Ich verspürte
einen weiteren Schauer und wußte, daß er nicht von der
kühlen Nachtluft herrührte. Jemand folgte uns auf dem
Pfad, und zwar nicht zufällig, sondern ganz bewußt, denn
als ich Belbo ein Zeichen machte, stehenzubleiben, hörte ich
in unserem Rücken leise Schritte, die kurz darauf ebenfalls
innehielten. Ich drehte mich um und blickte den weitgehend geraden
Pfad hinunter, konnte jedoch aufgrund der Dunkelheit keinerlei
Bewegung ausmachen.
    »Ein Mann oder
zwei?« flüsterte ich Belbo zu.
    Er runzelte die Stirn.
»Einer, glaube ich, Herr.«
    »Ich bin ganz
deiner Meinung. Die Schritte verstummten ganz plötzlich, ohne
Gerangel oder Geflüster. Meinst du, wir beide hätten von
einem Mann etwas zu befürchten, Belbo?«
    Belbo sah mich
nachdenklich an. »Nicht, wenn er nicht am Ende des Pfades
einen Freund hat, der uns erwartet, Herr. Dann wären wir zwei
gegen zwei.«
    »Und was, wenn
dort oben mehr als nur ein Freund wartet?«
    »Willst du
umkehren, Herr?«
    Ich spähte
zurück in die Dunkelheit, dann hinauf zu den vor uns liegenden
Schatten. »Nein. Wir sind fast zu Hause.«
    Belbo zuckte die
Schultern. »Manche Männer müssen bis nach Gallien
ziehen, um zu sterben. Andere erwischt es direkt vor ihrer
Türschwelle.«
    »Halte
bloß den Dolch unter deiner Tunika bereit, ich werde dasselbe
tun. Und geh gleichmäßig weiter.«
    Als wir uns dem Grat
des Pfads näherten, erkannte ich, daß dies der perfekte
Ort für einen Überfall war. Früher einmal konnte ich
ohne Atemnot einen steilen Pfad erklimmen, doch das ist lange her;
ein kurzatmiger Mann gibt ein leichtes Opfer ab. Sogar Belbo
keuchte vernehmlich. Ich spitzte die Ohren und horchte auf Schritte
in unserem Rücken oder Geräusche vor uns, vernahm jedoch
nur das Pochen meines Herzens und meinen schnaufenden
Atem. 
    Kurz vor Ende der
Rampe wurde der Zypressenbestand zu beiden Seiten des Pfades
dünner und der Weg breiter, so daß das Mondlicht hier
und da den Schatten durchbrach und vor uns die ersten Häuser
zu sehen waren. Ich konnte sogar das Dach meines eigenen Hauses
erkennen, was mich gleichermaßen zuversichtlicher und
beklommener machte. Der Anblick meines Heims gab mir Sicherheit,
erinnerte mich aber auch daran, daß die Götter
gelegentlich auf ironisch anmutende Grausamkeiten
zurückgreifen, wenn sie dem Leben eines Sterblichen ein Ende
bereiten. Wir hatten den Pfad fast hinter uns, doch noch immer gab
es genug schattige Nischen, in denen sich eine beliebige Anzahl von
Attentätern verbergen konnte. Ich wappnete mich innerlich und
spähte in die Dunkelheit.
    Schließlich
kamen wir nur wenige Schritte von meinem Haus entfernt auf der
Rampe auf die gepflasterte Straße. Der Weg war in beiden
Richtungen frei, die Straße lag ruhig und verlassen da. Aus
dem Obergeschoß eines Hauses vernahm ich den leisen Gesang
einer Frau, ein Wiegenlied. Alles war friedlich.
    »Vielleicht
sollten wir ihm einen Hinterhalt stellen«, flüsterte ich
Belbo zu, nachdem ich wieder zu Atem gekommen war, denn jetzt
konnte man die nahenden Schritte unseres Verfolgers deutlich
hören. »Wenn jemand hinter uns her ist, würde ich
ihn mir gern einmal ansehen.«
    Wir zogen uns in den
Schatten zurück und warteten.
    Die Schritte kamen
näher, und der Mann mußte uns jeden Augenblick eingeholt
haben und ins Mondlicht treten.
    Neben mir rang Belbo
nach Luft. Ich erstarrte und fragte mich, was los war.
    Und dann mußte
Belbo niesen.
    Es war nur ein halbes
Niesen, weil er sein Bestes tat, es zu unterdrücken, doch in der
Sülle der Nacht hätte es genausogut ein Donnerschlag sein
können.

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