Römischer Lorbeer
paar Tage
später, daß Juba und Laco - ausgebildete
Küchensklaven! - als Arbeiter in einer Mine nützlicher
wären. Lucius besitzt einen Anteil an einer Silbermine oben in
Picenum. Also wurden die Sklaven weggeschickt, außer
Reichweite, aus den Augen, aus dem Sinn.«
Sie hielt die kleine
Tonfigur von Attis hoch und strich mit dem Zeigefinger
darüber. »Doch das Erstaunlichste ist, daß Juba
und Laco bei Lucius’ Ankündigung plötzlich anboten,
sich freizukaufen. Irgendwie war es ihnen gelungen, die paar
Kupfermünzen, die wir ihnen jedes Jahr zur Feier der
Saturnalien geben, zu einer Summe zusammenzusparen, die ihrem
eigenen Wert in Silber entsprach.«
»War das
möglich?«
»Völlig
ausgeschlossen. Lucius beschuldigte sie, die Haushaltskasse
bestohlen zu haben.«
»Hätten sie
das tun können?«
»Meinst du, ich
bin eine Frau, die sich von ihren Sklaven bestehlen
läßt?« Sie bedachte mich mit einem Blick, der dazu
angetan war, einen Sklaven panisch das Weite suchen zu lassen.
»Doch für diese Erklärung hat Lucius sich
entschieden, und nichts wird ihn davon abbringen. Er nahm ihnen ihr
Silber ab, schickte sie in die Minen, und damit hatte es
sich.«
»Und woher
hatten die Sklaven das Silber deiner Meinung
nach?«.
»Nun mal nicht
so schüchtern«, sagte sie. »Natürlich hat sie
jemand bestochen, Dio zu vergiften. Wahrscheinlich haben sie nur
einen Teil ihrer Bezahlung erhalten, weil sie die Sache nicht
erfolgreich abgeschlossen hatten. Wenn ich Herr dieses Hauses
gewesen wäre, hätte ich sie foltern lassen, bis die Wahrheit ans
Licht gekommen wäre. Aber die Sklaven gehören
Lucius.«
»Die Sklaven
kennen die Wahrheit.«
»Die Sklaven
wissen etwas. Aber sie sind jetzt weit weg von
Rom.«
»Und ohne die
Zustimmung ihres Herren kann man sie nicht zur Aussage
zwingen.«
»Und die
würde Lucius nie geben.«
»Wer hat ihnen
das Silber gegeben?« murmelte ich. »Wie läßt
sich das nur herausfinden?«
»Ich nehme an,
das ist deine Aufgabe«, erklärte sie schroff. Sie ging
zu dem kleinen Tisch zurück und stellte die Attis-Figur auf
ihren Platz zurück. Ich trat neben sie und betrachtete die
Statuen.
»Warum so viele
und alle gleich?« fragte ich.
»Für die
Feier der Großen Mutter natürlich. Das sind Abbilder von
Attis, ihrem Begleiter. Als Geschenke.«
»Von einem
solchen Brauch habe ich noch nie gehört.«
»Wir schenken
sie uns gegenseitig.«
»›Wir‹?«
»Es hat nichts
mit dir zu tun.«
Ich streckte den Arm
aus, um eine der Figuren zu nehmen, doch sie packte mich mit
erstaunlich festem Griff am Handgelenk.
»Ich sagte, es
hat nichts mit dir zu tun.« Schließlich ließ sie
mich wieder los und klatschte in die Hände. Ein Mädchen
erschien. »Du solltest jetzt besser gehen. Die Sklavin wird
dich hinausführen.«
13
Die bequemste Route
zum Haus von Titus Coponius, in dem Dio gestorben war, führte
mich auf demselben Weg zurück, den ich gekommen war. Als ich
erneut an der früheren Wohnung von Marcus Caelius vorbeikam,
bemerkte ich, daß das Zu-Verkaufen-Schild
unberührt war, während man das obszöne Graffito
darunter mit frischer Farbe übermalt hatte. Man konnte
Clodius’ Schlägern alles mögliche vorwerfen, nicht
jedoch Untätigkeit.
Titus Coponius empfing
mich umgehend, und bald saß ich mit einem Becher Wein in
seinem Arbeitszimmer. Wenn Lucius Lucceius’ Arbeitszimmer
eine rückwärtsgewandte Huldigung an die Eroberung
Karthagos war, präsentierte Titus Coponius’
Arbeitszimmer sich als Tribut an den andauernden Triumph
griechischer Philosophie. Auf Regalen waren schwarzrote
Trinkgefäße zu sehen, die zu alt und wertvoll waren, um
tatsächlich daraus zu trinken. Auf Sockeln entlang der
Wände standen kleine Statuen großer Helden und
Büsten bedeutender Denker. In einem Schrank mit Fächern
für Schriftrollen stapelten sich runde lederne Etuis mit
kleinen farbigen Etiketten, auf denen ich die Namen alter
griechischer Dramatiker und Historiker las. Der Raum war stilecht
mit griechischen Stühlen mit hoher Lehne und einem
griechischen Teppich mit geometrischem Muster möbliert, alles
in harmonischster Proportion zu der Größe des
Raums.
Coponius war ein
großer Mann mit einem langen eckigen Gesicht und einer
attraktiven Nase; selbst im Sitzen wirkte er imposant. Er hatte
kurz geschnittenes, dicht gelocktes schwarzes Haar, das an den
Schläfen grau meliert war. Seine Kleidung und sein Gebaren
waren ebenso elegant wie der Raum, in dem wir saßen.
»Ich nehme an, du
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