Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
habe ihn umgebracht“, schrie er verzweifelt. „Ich wollte ihm helfen, stattdessen habe ich ihn in den Tod getrieben!“
„Du hast ihn befreit. Seine Seele war zerstört von zu viel Angst und Schuld, die er auf sich geladen hatte im Glauben, damit seinem Gott zu dienen. Sein Geist war gefangen von ewiger Sorge, der Verantwortung nicht gerecht zu werden. Jeder war ihm ein Feind, weil er selbst sich ein Feind war. Du hast ihm gezeigt, was er sich und allen anderen damit angetan hat. Er wäre niemals wieder fähig gewesen, von dieser Schuld loszukommen. Er hätte keinen anderen Weg einschlagen können, außer in den Wahnsinn. Das wusste er, also hat er dieses Dasein beendet, frei und erlöst. Du hast ihm nicht das Leben schenken können, aber einen Tod ohne Reue. Es gibt nicht viele, die so etwas erhoffen dürfen.“
Janiel und Inani drehten sich zu dem weißen Vogel um, der hinter ihnen gelandet war und zu ihnen beiden sprach. Avanya und Eiven waren bei ihm, sie wirkten niedergeschlagen.
„Ich muss euch für eine Weile verlassen, um mich vertraut zu machen mit dieser Welt, die so vollkommen fremd für mich ist. Doch in wenigen Tagen kehre ich zurück und helfe euch, eure Aufgabe zu erfüllen. Diesen Zweig hier, ihr dürft ihn nicht berühren, er ist nicht für euch bestimmt. Lasst ihn einfach liegen, bis sein Besitzer ihn an sich nimmt.“
Mit diesen Worten pflückte der Vogel einen blühenden Eichenzweig aus seinem Gefieder und legte ihn zu Janiels Füßen. Dann stürzte auch er sich von der Klippe hinab, ließ sich von den Aufwinden packen und in die Höhe tragen.
„Er hat uns vieles erzählt“, wisperte Avanya. Sie griff nach Eivens Hand, wirkte dabei so klein und zerbrechlich, als könnte ein Windhauch sie zerstören. „Wir sollen mit ihm gemeinsam versuchen, unsere Völker zu versöhnen. In dem Bernsteinkristall, den Thamar noch verwahrt, hat er all das verlorenen Wissen hinterlegt, das Maondny ihm geschenkt hat.“
Benommen löste Janiel sich aus Inanis Umarmung. Schockiert erinnerte er sich, dass heute noch mehr Entscheidungen ausstanden.
„Was ist mit Thamar? Hat er die Begegnung mit Ilat überlebt?“
Ahnungsvoll drehten sie sich um und versuchten zu erkennen, was innerhalb der riesigen Gruppe von Soldaten und Söldnern geschah.
30.
„Ich gestehe, ich bin unverbesserlich. Ich glaube nicht, dass ein schreckliches Ende falsch sein muss, im Gegenteil: Ein neuer Anfang ist umso hoffnungsvoller, je mehr über das Ende dessen, was vergangen ist, getrauert werden muss. Je größer die Trauer, desto größer die Bereitschaft, umwälzende Neuerungen zu ertragen.“
Aus den Notizen von Shila von Erten, zu einem unvollendeten Drama, Titel unbekannt
„Ruhe in Tis Armen, mein Bruder. Möge der feurige Herrscher des Lichts dir gnädig sein und dir den Frieden schenken, den du im Leben nie besitzen durftest“, flüsterte Thamar. Alles in ihm weigerte sich, diesen Mord zu begehen, seinen eigenen Bruder hinzurichten, doch es gab keinen anderen Weg und er wusste es. In Ilats Blick las er Sehnsucht, tiefe, verzweifelte Sehnsucht – wonach? Thamars Schwert stieß vor, bereit, Ilats Herz zu zerstören. Im gleichen Moment aber, als sich die Klinge in den Körper seines geliebten, verhassten Feindes bohrte, umfassten zwei weitere Hände das Heft und trieben das Schwert mit noch mehr Kraft voran.
Ilat bäumte sich auf, zuckte einige schmerzerfüllte Momente lang, dann fiel er sterbend zurück.
„Maondny?“ Verständnislos sah Thamar von den schmalen Händen seiner Liebsten über seine Schulter hoch zu ihrem Gesicht. Er hörte die Rufe der unzähligen Menschen um ihn herum, die sich vor der Elfe fürchteten, und den Tod des Königs herausschrien. Nichts davon schien etwas mit ihm zu tun zu haben.
„Vergib mir, Thamar. Ich wusste, dass es dich vernichten würde, Ilat auf diese Weise zu töten. Genauso hätte es dich vernichtet wenn jemand anderes diese Tat auf sich genommen hätte. Mir blieb keine andere Wahl, um dir beizustehen, Liebster, als die Klinge mit dir gemeinsam zu führen. Es war deine Entscheidung, du hast deinen Bruder gerichtet. Aber es war auch meine Hand, die das Schwert stieß. Ich trage die Schuld mit dir“, wisperte sie, während Tränen aus ihren hellblauen Augen strömten. „Bitte hasse mich nicht dafür.“
Er ließ die Waffe los und sank neben dem Toten nieder.
„Ich könnte dich nicht hassen, Maondny, niemals und unter keinen
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