Röslein stach - Die Arena-Thriller
du mich wieder aussehen? Hättest du nicht sagen können, dass du dich vor dem Geist der Ermordeten fürchtest?«
»Das kommt noch dazu«, grinste Katie.
»Wenn Robert nicht immer so eine Scheiße daherlabern würde, könnte man das Zimmer ja vielleicht wirklich mal vermieten«, meinte Matthias. »Der Krüger müsste ja gar nichts davon erfahren und das Geld könnten wir gut gebrauchen. Vielleicht macht es demjenigen ja nichts aus, wenn es dafür billig ist. Und im Winter muss man eben noch einen Heizlüfter oder so was dazustellen.«
»Oder wir müssen an einen Eskimo vermieten«, meinte Katie.
»Von mir aus«, nickt Robert. »Du kannst ja einen Zettel in die Uni hängen: Zimmer an hitze- und kälteresistentes Wesen zu vermieten.«
Katie ging in die Küche und kam mit einer geöffneten Flasche Rotwein zurück. Sie füllte vier Gläser bis zur Hälfte und sagte feierlich: »Lasst uns auf Tonis Ankunft trinken.«
Sie hoben ihre Gläser und Katie mahnte: »Und ihr wisst ja: Beim Anstoßen in die Augen schauen, sonst drohen sieben Jahre schlechter Sex!«
Antonia nahm ihr Glas und sie prosteten sich der Reihe nach zu, wobei sie einander so übertrieben betont in die Augen blickten, dass am Ende alle kicherten.
»Apropos«, sagte Robert. »Katie, hast du deine Freundin schon über die hiesigen Gebräuche aufgeklärt? Insbesondere über das Ius primae noctis?«
»Hä?«, entschlüpfte es Antonia.
Katie konnte nicht antworten, da sie sich gerade ein halbes Pfund Spaghetti auf einmal in den Mund geschoben hatte, also erläuterte Robert: »Es ist nämlich so: Ich bin der Hauptmieter hier, ihr seid sozusagen meine Untermieter. Das ist so was Ähnliches wie Leibeigene, merk dir das. Im Zeitalter des Feudalismus pflegten Fürsten und Gutsherren vom Recht der ersten Nacht Gebrauch zu machen, was bedeutete: Wenn ein Mädchen heiratete, durfte zuerst der Fürst mit ihr die Nacht verbringen, erst danach der Ehemann. Wir haben diesen schönen Brauch hier leicht abgewandelt: Jedes Mädchen, das hier einzieht, muss die erste Nacht mit mir verbringen. Nicht wahr, Katie?« Er sah Katie an, die nickte. Robert wandte sich wieder an Antonia. »Ich hoffe, das macht dir nichts aus? Bist du eigentlich noch Jungfrau?«
Antonia, der der letzte Bissen fast im Hals stecken geblieben wäre, blickte verwirrt in die Runde. Das war doch sicher wieder so ein dummer Scherz, oder? Aber Katie und Matthias machten ernste Gesichter und Roberts Blick ruhte erwartungsvoll auf Antonia. Zwei, drei Sekunden verstrichen, in denen man das Hinabfallen einer Nadel hätte hören können. Antonia spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Dann aber sah sie, wie ihr Matthias hinter seinen Brillengläsern kaum merklich zuzwinkerte. Antonia fing sich wieder und antwortete: »Kein Problem. Wollen wir gleich nach oben gehen oder waschen wir vorher noch ab?«
3.
Sie lagen auf dem breiten Bett in Katies Zimmer und das alte Gefühl der Vertrautheit war sofort wieder da. Beide verspürten das Bedürfnis, sich all die wichtigen, großen Ereignisse der vergangenen Jahre mitzuteilen, die Lücken zu schließen, die durch ihre Trennung entstanden waren. Katie erzählte Antonia unter anderem von einer Blinddarmoperation in letzter Minute und von dem Jungen aus ihrer Schule, in den sie lange unglücklich verliebt gewesen war. Bei Antonia gab es bis auf den Umzug aufs Dorf, die Heirat ihrer Mutter, die fremde Schule und die Langeweile auf dem Dorf nicht viel Nennenswertes zu berichten. Und ihren Stiefvater schilderte sie genüsslich in seiner ganzen Widerwärtigkeit (wobei sie hier durchaus ein wenig übertrieb).
»Warum bist du eigentlich von zu Hause ausgezogen?«, wollte Antonia nun von Katie wissen.
Katie blies sich eine ihrer kurzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Seit mein Vater vor zwei Jahren arbeitslos wurde, hängt er fast den ganzen Tag zu Hause rum und mischt sich in alles ein. Meine Mutter war nur noch genervt, die Stimmung wurde von Tag zu Tag mieser. Dass er getrunken hat, machte die Sache auch nicht besser. Das habe ich nicht mehr ausgehalten. Ich meine, er kann ja nichts dafür – aber ich schließlich auch nicht. Findest du das gemein von mir?«
Antonia überlegte kurz. »Nein. Wir sind schließlich nicht dazu da, die Probleme unserer Eltern zu lösen«, antwortete sie dann und dachte: Die lösen unsere ja auch nicht – im Gegenteil.
»Außerdem hatte ich keinen Bock mehr auf die Schule. Scheiß-Turbo-Abi! Mann, ich hatte zuletzt eine
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