Röslein stach - Die Arena-Thriller
sicher auch ein Glück ist, sonst sähe die Welt wohl anders aus.« Er drückte seine Zigarette aus und stand auf. »Wollen wir jetzt den Schreibtisch runterholen?«
Antonia tat, als hätte sie die letzte Frage nicht gehört, und plapperte scheinbar beiläufig drauflos: »Es gibt da im Wald einen Steinbruch. Der ist schon lange nicht mehr in Betrieb, weil die Gegend irgendwann zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Aber früher haben sie da immer die Steine mit Dynamit weggesprengt.«
»Das macht man so. Oder hast du gedacht, die Arbeiter klopfen jeden Stein einzeln mit der Spitzhacke weg?« Robert klang etwas von oben herab, aber Antonia ließ sich nicht beirren.
»Ich kenne da ein paar Jungs aus dem Ort…«, Antonia vermied absichtlich das Wort Dorf, das in ihren Augen ganz furchtbar klang, »… die sind alle bei der freiwilligen Feuerwehr. Einer von ihnen hat mir mal erzählt, dass da noch ganz viel Dynamit lagert.«
Nun wurde Robert doch hellhörig. Er versuchte zwar, es sich nicht anmerken zu lassen, aber Antonia hatte sehr wohl bemerkt, wie seine Augen bei ihren Worten kurz aufgeleuchtet hatten. Er grinste. »Die Dorfjugend, soso. Wahrscheinlich war der Typ besoffen und wollte dich abschleppen. Hat’s funktioniert?«
»Es stimmt wirklich.«
»Dynamit«, wiederholte Robert spöttisch. »Schon klar.«
»Natürlich habe ich dem Typen zuerst auch nicht geglaubt, aber dann hat er sie mir gezeigt. Zwei große Holzkisten mit der Aufschrift Dynamit Nobel.«
Antonia schwindelte nur ein klein wenig. Sie selbst hatte die Kisten nicht gesehen, sondern ihre Freundin Constanze, die mit einem der Jungs mal zusammen gewesen war. Aber es war ohnehin ein offenes Geheimnis unter den Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr, dass in der alten Feldscheune von Bauer Lodemann, die als provisorischer Abstellplatz für ausrangierte Gerätschaften diente, der Sprengstoff lagerte, der nach der Schließung des Steinbruchs übrig geblieben war. Sobald das neue Feuerwehrgerätehaus fertig sein würde, wollte man die Kisten dort einschließen. Aber letzte Woche hatte sich das Bauwerk noch im Rohbau befunden.
»Wo soll denn das sein?« Robert wirkte äußerlich noch immer ganz gelassen, aber damit konnte er Antonia nicht täuschen.
»Ich kann dich hinbringen«, schlug sie vor. »Meinetwegen morgen. Ich muss eh noch zu meiner Mutter, sie muss mir was für die Schule unterschreiben und ich brauche mein Fahrrad.« Eigentlich keine schlechte Idee, nicht alleine dort aufzukreuzen, überlegte Antonia. Nur für den Fall, dass Ralph auch da sein und Theater machen würde. Ob ihm ihre Mutter tatsächlich erzählt hatte, sie wäre zu ihrer Großmutter gezogen? Wahrscheinlich hatte Ralph ihre Lüge durchschaut und war deshalb am Telefon so wütend gewesen. Was ist das für eine beschissene Ehe, dachte Antonia, in der man den Partner aus Angst belügen muss? Sie konzentrierte sich wieder auf ihr Gegenüber.
»Du meinst wirklich, das Zeug liegt da einfach so rum?« Robert versuchte nun nicht mehr, sein Interesse zu verbergen.
»Man könnte ja einfach mal nachsehen.«
»Okay«, meinte Robert. »Klingt gut.«
»Aber dann möchte ich in Zukunft dabei sein, bei eurer Gruppe«, platzte Antonia heraus.
Robert sah sie an. »Das habe nicht nur ich zu bestimmen.«
Antonia stand auf. »Hm. Schade. Na, egal, lass uns mal den Schreibtisch holen.«
Antonia blieb so ruhig, weil sie absolut sicher war, dass Robert früher oder später wieder auf das Thema zurückkommen würde. Dennoch wunderte sie sich über sich selbst: Seit wann war sie so cool? Hätte sie doch früher mal mit Mama oder mit Ralph so umgehen können!
Hintereinander erklommen sie die Stufen, die zum Dachzimmer führten.
»Warst du seit Freitag noch einmal hier? Vielleicht die Möbel anschauen?«, fragte Robert, nachdem er die Tür geöffnet hatte.
»Nein«, antwortete Antonia wahrheitsgemäß und fügte lächelnd hinzu: »Ich würde doch niemals alleine das Mörderzimmer betreten. Wieso?«
»Komisch, ich hätte schwören können, dass beim letzten Mal alle Möbel zugedeckt waren.«
»Ich auch«, antwortete Antonia. Beide blickten auf das Bett, dessen Verhüllung zerknüllt über der Bettlade hing und den nackten, hölzernen Lattenrost des französischen Bettes sehen ließ. Für einen Augenblick streifte Antonia der Gedanke, dass die Matratze in ihrem Zimmer von diesem Bett stammen könnte. Aber nein, die ihre war schmaler, erkannte sie nach einer Schrecksekunde.
»Hm«, machte
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